Der ÖVP-Abgeordnete Andreas Hanger mag Taferln. Auf ein solches wollte er angeblich auch Zitate von Stephanie Krisper drucken lassen. Das E-Mail ging aber an Krisper selbst

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Es sind die Tücken der modernen Kommunikation: Man kann "mit der Maus ausrutschen" (wie AfD-Politikerin Beatrix von Storch), "gehackt" werden (wie zahlreiche FPÖ-Politiker) oder heikle Informationen unabsichtlich an den falschen Adressaten schicken. Das passierte unter Türkis-Blau beispielsweise Vizekanzler Heinz-Christian Strache (damals FPÖ), der ein SMS über Postenbesetzungen an den blauen Manager Arnold Schiefer schicken wollte; aber im Adressbuch verrutschte. So landete das SMS beim SPÖ-Politiker Andreas Schieder, und später in den Medien.

Etwas Ähnliches passierte am Freitag dem ÖVP-Abgeordneten Andreas Hanger, der seine Fraktion im U-Ausschuss anführt. Er arbeitete gerade an einer – wie er es nennt – "Faktensammlung" über die politische Konkurrenz und wollte etwas über die Neos-Mandatarin Stephanie Krisper schreiben. Dabei blieb er jedoch in der Adresszeile hängen – und prompt landete seine Mail auch bei Krisper selbst. Grund genug für die Neos, noch am Freitagnachmittag eine Pressekonferenz einzuberufen, um die "Sudeldossiers" der ÖVP zu kritisieren.

Chips und Quoten

Worum geht es? Von besonderer Brisanz sind die Dossiers nicht, heißt es auch aus dem Umfeld der Betroffenen. Der SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer oder die FPÖ-Abgeordnete Susanne Fürst wurden nicht beschattet, es wurden keine geheimen Datenbanken nach inkriminierenden persönlichen Details abgegrast. Vielmehr sammelte die ÖVP Aussagen und Fragen im U-Ausschuss, um zu zeigen, wie schlecht sich die Konkurrenz dort nicht benehmen würde.

Dem STANDARD liegt ein "Fakten-Dossier" vor, das die ÖVP erstellt hat. Die Kritik an der Opposition und den Grünen wurde in zehn Punkte gegliedert. Gesammelt wurden etwa angebliche "Beleidigungen und Herabwürdigungen von Auskunftspersonen", "permanente Unterstellungen" oder das "permanente Ignorieren" von Entscheidungen des Verfahrensrichters – hier bekommen auch die grünen Abgeordneten Nina Tomaselli und David Stögmüller ihr Fett weg.

Eine eigene Seite widmet sich dem "Essen im Untersuchungsausschuss", offenbar eine Schwäche des SPÖ-Fraktionsführers Jan Krainer. Der sei schuldig, "während er Fragen an die Aufsichtsperson stellte in ein Chips-Sackerl" zu greifen. Er "mampfte Wurstsemmel", zitiert das Dossier die Auskunftsperson Christian Pilnacek, suspendierter Justiz-Sektionschef, zu Krainer; außerdem habe man Krainer mehrmals bitten müssen, "herunterzuschlucken". Ein weiteres angebliches Vergehen: Krainer "schlägt mit dem Kopf gegen den Tisch" und rief "Geh bitte!". Auch Schreiduelle werden ihm unterstellt.

Fernsehen und Taferl

Angeblich wurden die Dossiers mit Blick auf zwei Fernsehdiskussionen erstellt, die dieses Wochenende im ORF anstehen: In "Hohes Haus" trifft Krainer auf den ÖVP-Abgeordneten Klaus Fürlinger, der auch im E-Mailverkehr involviert war. Abends diskutieren dann "Im Zentrum" alle Fraktionsführerinnen und Fraktionsführer über den U-Ausschuss.

Dass man sich auf Fernsehsendungen vorbereitet, gesteht auch die Opposition ein. Allerdings betont diese, sich auf inhaltliche Positionen der anderen Diskussionsteilnehmer vorzubereiten. Die Neos fragen auch, warum die E-Mails im CC an eine niederösterreichische PR-Agentur gingen – angeblich sollten dort Taferln für die Fernsehsendung vorbereitet werden.

Klar wird durch das Irrläufer-Mail, dass die ÖVP viel Mühe darauf verwendet, das Verhalten der politischen Konkurrenz zu thematisieren. Hanger sagt sinngemäß auch ganz offen, er sei durchaus froh, dass die E-Mails öffentlich wurden, damit man über das Gebaren der Opposition im U-Ausschuss diskutieren könne.

Kurz und die Wahrheit

Die ÖVP greift die Konkurrenz im U-Ausschuss schon seit dessen Beginn an und kritisiert die "aufgeheizte Stimmung" dort, wie zuletzt auch Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Dessen Befragung könnte nun ja strafrechtliche Konsequenzen haben, weil die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wegen Falschaussage ermittelt – es gilt die Unschuldsvermutung.

Als Verteidigungslinie soll offenbar auch die Situation im U-Ausschuss gelten: Kurz sprach davon, dass einem dort "das Wort im Mund umgedreht" würde. Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) bezeichnete das parlamentarische Kontrollgremium als "Löwingerbühne", am Samstag gab sie im "Presse"-Interview an, Kurz solle sogar bei einer Verurteilung durch einen Richter nicht zurücktreten. (fsc, 15.5.2021)