Die Übertragung der JVP-Veranstaltung im ORF sorgte für Kritik.

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Wien – Corona-bedingt wurde der bereits im Sommer 2020 angekündigte Wechsel an der Spitze der Jungen Volkspartei (JVP) auf Samstag verschoben. Dafür konnte das ganze Land mitverfolgen, dass die 26-jährige Nationalratsabgeordnete Claudia Plakolm zur Bundesobfrau der ÖVP-Jugendorganisation gewählt wurde. Denn die zweistündige Veranstaltung wurde auf der ORF-Homepage in einem Livestream übertragen – was in sozialen Medien für viel Kritik sorgte.

Moderiert wurde der Bundestag von dem ehemaligen Radio- und Fernsehmoderator Peter L. Eppinger, JVP-Mitglieder waren via Video mit dabei. Eppinger hob in seiner Begrüßung das "echte Engagement" der JVP hervor und rief anschließend einige der Anwesenden auf die Bühne – begleitet von Licht- und Soundeffekten.

Kurz und ÖVP-Minister live dabei

Damit aber nicht genug: Auch die ÖVP-Ministerinnen und -Minister waren live zugeschaltet und winkten in die Kamera; ebenso Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und einige andere.

Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz fand sich auf der Bühne neben Eppinger ein und erzählte von seiner Zeit bei der Jugendorganisation und den vielen dort geschlossenen Freundschaften. Der Kanzler thematisierte auch die Ermittlungen gegen ihn. "Angenehm ist es nicht", sagte er zu der Causa. "Der Stil mit dem agiert wird, der ist natürlich einer, der keine Freude macht." Die Ermittlungen hätten ihn "noch kämpferischer" gemacht, sagte Kurz. Ihn hätten "Erfahrenere" angerufen und den Rücken gestärkt.

Die Übertragung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sorgte in der Opposition für Kritik. Der ORF entwickle sich "zum reinen Türkis-Funk", kritisierte etwa der Wiener FPÖ-Klubobmann Maximilian Krauss in einer Aussendung: "Während es über Parteitage von den anderen Jugendorganisationen teilweise gar keine Berichterstattung im ORF gibt, bekommen die Türkisen eine Sonderbehandlung."

Der PR-Berater Rudolf Fußi stellte auf Twitter die Frage in den Raum, ob der ORF nun allen Jugendparteiorganisationen ähnlich viel Platz geben würde.

Die Junos, die pinke Jugendorganisation, nahmen ihrerseits Bezug auf die Satiresendung über Kurz von Jan Böhmermann: "Am Weg zur Übernahme der Medienlandschaft..."

Auch in der SPÖ kam die Übertragung nicht gut an. Neben einigen Vertretern der Sozialistischen Jugend (SJ), meldete sich auch der rote Nationalratsabgeordnete Jörg Leichtfried auf Twitter dazu zu Wort:

Auch Dieter Bornemann, Vorsitzender des ORF-Redakteursrats, meldete sich auf Twitter zu der Übertragung zu Wort. Aus seiner Sicht habe es "keinen journalistischen Grund gegeben, den JVP-Parteitag live zu übertragen". Die redaktionelle Bewertung sei in der "ZiB 1" zu sehen gewesen, in der die Veranstaltung nicht vorkam. In der "Spät-ZiB" wurde dann allerdings doch über den Bundestag berichtet.

Update: "Entscheidung aus journalistischen Gründen"

"Es ist korrekt, dass die Hauptabteilung Online und neue Medien gestern die Entscheidung getroffen hat, den Bundestag der JVP als Livestream auf der ORF-TVthek live zu übertragen. Diese Entscheidung erfolgte aus journalistischen Gründen, da im Programm des Bundestags ein Auftritt von Bundeskanzler Kurz angekündigt war und wir aufgrund der aktuellen politischen Diskussion rund um eine mögliche Anklage gegen den Bundeskanzler im Interesse einer aktuellen Information des Publikums live dabei sein wollten", sagt Thomas Prantner, stellvertretender Direktor für Technik, Online und neue Medien, auf STANDARD-Anfrage dazu.

Die ORF-TVthek biete "als Zusatzservice für die Userinnen und User unkommentierte Livestreams von Veranstaltungen, Pressekonferenzen und Statements aller politischen Parteien. Die thematische Auswahl der Livestreams erfolgt nach journalistischen Kriterien und den Grundsätzen der Objektivität, Meinungsvielfalt, Ausgewogenheit und Gleichbehandlung aller Parteien". Prantner: "Rechtliche Voraussetzung für diese 'Live Spezial‘-Livestreams ist Berichterstattung im linearen TV. Diese ist mit einer Meldung über den JVP-Bundestag in der 'ZiB' um ca. 22.00 Uhr erfolgt." (red, 15.5.2021, Update: 16.5.2021)