Der frühere Leiter des Instituts für Höhere Studien, Martin Kocher, wurde Anfang Jänner von Kanzler Kurz in die Regierung geholt.

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Wien – Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) will, dass die Reform der Kurzarbeit bis Ende Mai steht. Die Corona-Kurzarbeit dürfe nicht auf Dauer in dieser großzügigen Form bestehen, weil dies die Dynamik am Arbeitsmarkt bremse, sagte Kocher am Sonntag in der ORF-"Pressestunde". Derzeit verhandle er mit den Sozialpartnern. Die Hauptparameter seien die Mindestarbeitszeit, Selbstbehalte und Umsatzausfälle. Klar sei, dass stark betroffene Branchen länger die Kurzarbeit brauchen.

Generell sei die Rücknahme der Coronahilfen nach den Öffnungen politisch nicht ganz einfach. Unbestritten sei aber: "Wir müssen der Situation angepasst ausphasen", sagte Kocher mit Blick auf drohende Mitnahmeeffekte. Der frühere IHS-Chef geht aufgrund des in der Coronakrise aufgestauten Konsums von einem großen Aufschwung in den nächsten Monaten aus.

Qualifizierungsmaßnahmen gegen Fachkräftemangel

Nicht dulden dürfe die Politik, dass es gleichzeitig eine hohe Arbeitslosigkeit und einen Fachkräftemangel gibt. Weil in den kommenden Jahren die geburtenstarken Jahrgänger in Pension gehen, drohe der Fachkräftemangel "endemisch" zu werden. Kocher setzt hier auf Qualifizierungsmaßnahmen, nahm aber auch die Unternehmen, die selbst mehr ausbilden müssten, in die Pflicht.

Nicht festlegen wollte sich der Neo-Politiker, wie die Arbeitslosenhilfe künftig aussehen sollte. "Ich glaube, es macht Sinn, das zu diskutieren, wenn am Arbeitsmarkt wieder Normalität eingekehrt ist". Viele Maßnahmen hingen vom Gesamtsystem ab, ging Kocher auf den Vorschlag des ÖVP-Wirtschaftsbundes, das Arbeitslosengeld mit der Zeit zu kürzen, nicht ein. Ziel müsse sein, dass Menschen, die ihren Job verlieren, rasch einen neuen finden und annehmen.

Langzeitarbeitslosigkeit

Den Anstieg der Langzeitarbeitslosen führt Kocher zu einem Teil auf die Pandemie zurück. Er geht davon aus, dass Langzeitarbeitslosigkeit mit den Öffnungen in Gastronomie und Tourismus wieder zurückgeht. Im Blick habe er vor allem jene Arbeitslosen, die schon vor der Krise keinen Job hatten. Die Langzeitarbeitslosigkeit sei seit der Finanzkrise erhöht. Sie zu bekämpfen und zu senken sei schwierig, am besten sei es, sie von vornherein zu vermeiden, sieht Kocher große arbeitsmarktpolitische Aufgaben vor sich. Auch sein Ziel, die Krise am Arbeitsmarkt bis 2023 zu überwinden, sei "sehr ambitioniert", räumte Kocher ein. Die Corona-Joboffensive und das Programm "Sprungbrett" würden dabei helfen.

Die Neos fordern, die Kurzarbeit dringend anzupassen. "Es liegt auf der Hand, dass die Kurzarbeit, die inmitten der Krise absolut notwendig war, dringend angepasst werden muss. Nach so langer Zeit zeigt sie einfach zunehmend auch stark negative Effekte, weil sie Arbeitskräfte in der Kurzarbeit bindet, die an anderer Stelle gesucht wären", so Neos-Mandatar Gerald Loacker. Für die FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch ist Kocher weiter auf "einem brutalen Sozialabbau-Kurs".

Kocher gegen Spekulationen

Auch die Ermittlungen gegen Kanzler Sebastian Kurz waren Thema in der "Pressestunde": Kocher hält es für "viel zu früh", über Konsequenzen zu spekulieren. "Wir warten jetzt einmal ab was passiert". Er könne sich "beim besten Willen nicht vorstellen, dass er bewusst die Unwahrheit gesagt hat im U-Ausschuss". Eine Neuwahl hält er für "sehr unwahrscheinlich". Leise Kritik übte er an der Opposition ("starke Polarisierung") und den Öbag-Chats.

"Der Bundeskanzler hat schon sehr klar Stellung genommen, ich sehe das sehr ähnlich wie er das sieht", machte der Anfang Jänner von Kurz in die Regierung geholte frühere Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS) gleich zu Beginn klar, dass er die ÖVP-Linie mitträgt, auch wenn er kein Parteimitglied ist. Nicht festlegen wollte er sich, ob er im Fall einer Verurteilung einen Rücktritt des Kanzlers für angebracht hielte: Noch gebe es nicht einmal eine Anklage und es gelte die Unschuldsvermutung.

Kocher sieht Polarisierung in Politik

Etwas zurückhaltender als andere aus der ÖVP-Regierungsriege formulierte Kocher die Kritik an der Opposition: Er glaube "tatsächlich", dass es derzeit eine starke Polarisierung gebe zwischen Regierung und Opposition, "das ist nicht sehr angenehm", man sollte zur Sachpolitik zurückkehren. Diese Polarisierung entstehe auch "mit Anzeigen", konstatierte Kocher "schon ein gewisses System dahinter" – merkte aber auch an, dass wohl in Folge der Corona-Krise derzeit weltweit starke Polarisierung festzustellen sei.

Was die Justiz betrifft, bekannte er sich unumwunden zur Unabhängigkeit. Sie müsse ermitteln wenn Anzeigen – und derzeit kämen da viele aus der Politik – erstattet werden. "Aber die Justiz ermittelt unabhängig. Das ist gut so und soll auch so bleiben." U-Ausschüsse erachte er als "ganz ganz wichtiges demokratisches Instrument", es sei aber wichtig, dass es "sachorientierte Aufklärung" gebe. Er könne aber nicht viel dazu sagen, weil er noch nie bei einem U-Ausschuss gewesen sei.

Schmid-Chats "nicht ganz elegant"

An den Chats rund um die Bestellung von Thomas Schmid zum ÖBAG-Chef sieht Kocher "persönlich nichts Verwerfliches", zum Teil seien sie "nicht ganz elegant", vieles "locker formuliert". Ob sie strafrechtliche Relevanz haben, prüfe die Staatsanwaltschaft.

Gedanken darüber, ob er nach einer allfälligen – von ihm aber nicht erwarteten – Neuwahl Minister bliebe, hat sich Kocher, wie er sagte, noch nicht gemacht. Sein Planungshorizont sei die Legislaturperiode, also 2024 – und er gehe davon aus, dass sie bis zum Ende dauert. (APA, red, 16.5.2021)