Das beflaggte Bundeskanzleramt

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Als wollten die Elemente die Dramatik des menschlichen Tuns auch noch unterstreichen, fegte am Freitag böiger Wind über die Dächer des Wiener Ballhausplatzes – just dort, wo Bundeskanzler Sebastian Kurz zuvor neben der österreichischen und der EU-Flagge auch die israelische Fahne hatte installieren lassen. Als Zeichen der Solidarität mit Israel, wie er auf Twitter erklärte. Während sich die symbolbeladenen Stücke Stoff oben der steifen Brise erwehrten, braute sich unten – quer durch die politischen Lager – ein Sturm der Entrüstung zusammen.

Österreich sei ein neutrales Land, machte etwa FPÖ-Chef Norbert Hofer seinem Ärger Luft, der Kanzler dürfe sich nicht auf die Seite einer der beiden Kriegsparteien in der aktuellen Runde nahöstlicher Waffengänge stellen. Wien müsse seiner Vermittlerrolle treu bleiben, sekundierte Ewa Ernst-Dziedzic, außenpolitische Sprecherin der Grünen. Während israelische Offizielle Kurz dankten, legte ein Sprecher des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ebenso Protest ein wie Abbas Araghchi, Irans Chefverhandler in den Atomgesprächen, auf die Gastgeber Österreich so stolz ist. So weit, so vorhersehbar.

Umstrittener Fahnenschmuck

Mit dem umstrittenen Fahnenschmuck auf Österreichs zentralem Regierungsgebäude hat Kurz – und mit ihm Außenminister Alexander Schallenberg, der an seinem Amtssitz auf dem benachbarten Minoritenplatz ebenfalls Israels Fahne hissen ließ – aber womöglich nicht nur bei den üblichen Verdächtigen aus Ankara und Teheran unnötig Porzellan zerschlagen.

Natürlich verdient Israel in seinem Abwehrkampf gegen den Raketenterror Solidarität. Und tatsächlich schreibt der Staatsvertrag Österreich nicht vor, gegenüber antisemitischen Terrororganisationen wie der Hamas, die Israel vernichten wollen, Neutralität zu wahren. Wiens ungeschickte Flaggenpolitik hilft den bedrängten Israelis auf lange Sicht aber kein bisschen. Schließlich brüstet Wien sich seit Jahr und Tag mit seiner Rolle in Sachen Atomdeal mit dem Iran, der letztlich Israel vor einem nuklearen Inferno schützen soll. Wenn Österreich nun – gleich ob aus Kalkül oder aus Naivität – seinen Status als neutraler Mittler aufs Spiel setzt, büßt es seine schärfste Waffe im Kampf für das Wohlergehen Israels ein.

Dass Kurz, der sich nun als engster Freund Israels inszeniert, bis vor zwei Jahren mit einer Partei koaliert hat, deren aktuell lautester Protagonist sich heute von Antisemiten bei Corona-Demos feiern lässt, sollte in Israel ohnehin nicht vergessen werden – allen Fahnen im Wind zum Trotz. (Florian Niederndorfer, 16.5.2021)