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Der 1,81 große Tamas Szanto brachte alle Voraussetzungen mit. Das Bild stammt von 2016, als Rapid in der Europa League gegen Genk spielte. Seinen letzten Einsatz hatte der offensive Mittelfeldspieler im März 2018. Seither arbeitete er vergeblich an der Rückkehr.

Foto: REUTERS/Leonhard Foeger

Tamas Szanto sagt, es tue ihm gut, darüber zu sprechen. Über seine Traurigkeit, die Dekade bei Rapid, das Ende eines Traumes und über eine Tür, die nun endgültig geschlossen ist. Der 25-jährige Ungar aus Sopron hatte immer einen Leitsatz, ein Lebensmotto: "Gib niemals auf." Dabei bleibt es, "obwohl das in meinem Fall etwas komisch klingt". Andererseits verhält es sich mit den Türen so: "Fällt eine zu, geht meistens eine andere auf."

Am 30. April hat er offiziell gemacht, was er selbst schon länger ahnte, spätestens seit Weihnachten wusste: Die Fußballkarriere ist Geschichte, es geht nicht mehr, das rechte Knie streikt. Im März 2018 hatte die Leidensgeschichte begonnen, ein irreparabler Knorpelschaden, drei Operationen scheiterten. "Auf den Röntgenbildern erkennen sogar Laien, dass professionelles Fußballspielen unmöglich ist."

Szanto hatte es bis zuletzt versucht, die Kraftkammer im Rapid-Stadion wurde sein zweites Wohnzimmer, Physiotherapeuten und Ärzte waren seine Gesprächspartner. "Es war brutal." Auf einen Schritt nach vorne folgten zwei Schritte zurück, die Kollegen sprachen ihm Mut zu. Vor allem jene, die selbst regelmäßig vom berühmten Verletzungsteufel heimgesucht wurden und werden, zum Beispiel Christopher Dibon oder Philipp Schobesberger. Szanto wollte ins Teamtraining einsteigen, das Knie hielt aber Belastungen und Zweikämpfen nicht stand. In manchen Momenten dachte er, das Comeback sei recht nah. "Aber in Wahrheit war es immer sehr weit weg. Nur willst du dir das nicht eingestehen."

Endlich Klarheit

Insofern verspüre er nun eine gewisse Erleichterung. "Weil klar ist, dass mein Leben in eine andere Richtung gehen muss."

Rückblick, das Jahr 2010. Die U15 von Rapid testete gegen jene des FC Sopron. Auffälligster Akteur auf dem Platz war der offensive Mittelfeldspieler Tamas Szanto. Nach mehreren Gesprächen mit den Eltern wechselte er die Seiten. Vater Csaba war auch Fußballprofi, bei Sopron und Rába ETO Győr. Der Bub hat zwar immer vom AC Milan und seinem Vorbild Kaká geträumt, aber man soll nichts überstürzen, aufgeschoben ist niemals aufgehoben. Rapids Nachwuchs trainierte damals noch in der Südstadt. Tamas wurde von Vater oder Mutter hin und her chauffiert, die Strecke lässt sich in 50 Minuten bewältigen.

Er besucht weiter das Gymnasium in Sopron, bestand im Fernkurs die Matura. Sein erster Trainer war übrigens Carsten Jancker. Mit Tamas ging es steil bergauf, er zählte zu den besten seiner Altersklassen, am 31. Juli 2016 debütierte er in der Ersten. Im Jahr darauf laborierte er an einer hartnäckigen Leistenverletzung, möglicherweise war das bereits der Anfang von Ende.

46 Pflichtspiele, fünf Tore

Szanto brachte es in Summe auf 46 Pflichtspiele, erzielte fünf Tore. Er trug die Rückennummer 18, die war frei. Sie passte perfekt, weil er am 18. Februar 1996 geboren wurde. Erinnerungen sind bekanntlich eine Reifenspur im Sand. Es gab zwar wenige, aber doch prägende Erlebnisse. Die Eröffnung des Allianz-Stadions im Juli 2016 gegen Chelsea, ein 2:0 vor rund 27.000 Zuschauern, Szanto durfte mittun. Sprecher Andy Marek hat später seinen Namen ein paarmal als Torschützen genannt (geschrien), der Block West hat "Szanto" laut wiederholt. Bitte, danke. "Das habe ich gar nicht mitbekommen, es war Adrenalin pur."

Szanto sagt, man müsse ihn nicht bemitleiden. "Ich bin kein Einzelfall, auch in anderen Berufen müssen Menschen ihre Träume begraben." Finanziell ausgesorgt habe er natürlich nicht. "Aber Geld war nie mein Antrieb, es war die Liebe zum Spiel." Der Fußball sei so brutal wie schön. "Man muss den Jungen klarmachen, dass es schnell vorbei sein kann. Der Konkurrenzkampf ist enorm, man darf keine Schwächen zeigen. Und du brauchst Alternativen." Was er am meisten vermissen wird? "Die Emotion, den Ball, die Fußballschuhe, die Kabine, meine Mitspieler, den Applaus, das Gefühl, auf dem Platz zu stehen."

Wider den Zeitgeist

Szanto ist froh, nicht auf die Schule gepfiffen zu haben. Er hat sich in der FH Wr. Neustadt angemeldet, möchte Sportmanagement und Sportwissenschaften studieren. Aber noch muss er die Enttäuschung verarbeiten. Physische Schmerzen hat er keine, im Alltag muckt das Knie nicht auf. Er wohnt wieder daheim in Sopron, seine Eltern und seine Schwester bauen ihn auf. Er liest viel, skandinavische Krimis, die Biografie von Barack Obama hat er förmlich verschlungen. "Ich bin untypisch für den Zeitgeist, ich sage meinen Freunden dauernd, sie sollen das blöde Smartphone aus der Hand geben."

Zoran Barisic, Rapids Geschäftsführer Sport, hat für Szanto eine Tür geöffnet. Aus Überzeugung, nicht aus Mitleid. Er bleibt beim Verein, wird in der Akademie in diversen Bereichen mitarbeiten. "Er ist ein toller, kluger Mensch, ein Kämpfer, war ein hervorragender Fußballer. Ich bin froh, dass wir weiter auf ihn zählen können", sagt Barisic.

Tamas Szanto ist dankbar für die Chance. "Ich werde alles zurückgeben, was ich bekommen habe." Der AC Milan taugt ihm immer noch. Rapid sowieso. "Es tat gut, darüber zu sprechen." (Christian Hackl, 17.5.2021)