In Salzburg greift man auf eine App des Roten Kreuzes zurück, um Wohnzimmertests einzumelden.

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Noch vor wenigen Wochen war der Standpunkt des Gesundheitsministeriums klar: Sogenannte Nasenbohrertests, also Antigentests, bei denen die Anwenderinnen und Anwender die Proben selbst aus dem vorderen Nasenraum nehmen, sind weniger zuverlässig als Antigentests, bei denen professionelle Testerinnen und Tester den oberen Nasen-Rachen-Raum abstreichen.

Und: "Bei einem Selbsttest fehlt die Kontrolle, ob er korrekt durchgeführt worden ist und welcher Person das Testergebnis tatsächlich zuzuordnen ist", schrieb das Ministerium noch im März – als Begründung dafür, warum diese nicht als Zutrittstests anerkannt werden. Doch Meinungen ändern sich: Ab Mittwoch werden Selbsttests auch als Zutrittstests in Gastro, Theater oder Sportveranstaltungen anerkannt, ebenso werden sie bei den Berufsgruppentests gelten.

Wien schert aus

Wobei sich die Bundesländer an derartigen Regelungen nicht zwingend beteiligen müssen. Darum wird Wien die Selbsttests zumindest in manchen Bereichen strenger handhaben als der Bund. Dem STANDARD liegt eine Landesverordnung vor, laut derer auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Gastro ein Selbsttest nur 24 Stunden gelten wird, und nicht, wie bundesweit vorgesehen, für sieben Tage. Das gilt ausdrücklich auch für Beschäftigte ohne Kundenkontakt, wie etwa im Küchenbereich oder in der Reinigung. Sie alle können – analog zu den Regeln des Bundes – alternativ zum Test eine FFP2-Maske tragen. Sind sie getestet, reicht hingegen ein normaler Mund-Nasen-Schutz, wie das Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) mitteilte.

Damit gleicht Wien die Bedingungen für das Gastropersonal an die für deren Kundinnen und Kunden an: Ein Selbsttest gilt 24 Stunden, ein professionell durchgeführter Antigentest 48 Stunden und ein PCR-Test 72 Stunden. Im Vorfeld dachte man in Wien darüber nach, Selbsttests generell nicht zuzulassen – auch nicht als Eintrittstests –, davon wich man allerdings wieder ab.

Bundesländer bauen Selbsttests aus

Künftig können Selbsttests jedenfalls auf zweierlei Arten behördlich anerkannt werden: entweder wenn sie unter Aufsicht in einer Teststraße durchgeführt werden – oder wenn sie zu Hause gemacht und digital eingemeldet werden, wie es etwa auch in Vorarlberg seit Mitte März möglich ist.

Bereits im April ließ das Gesundheitsministerium die Nasenbohrertests zur kontrollierten Anwendung in Teststraßen zu. Danach stellten einige Bundesländer das Angebot in den Teststraßen um: In Niederösterreich wurden fünf Millionen Nasenbohrertests zur angeleiteten Selbstanwendung bestellt, um medizinisches Personal für Impfungen freizuschaufeln. Sie sollen bis Ende Juni in den Teststraßen zum Einsatz kommen.

Salzburg hat seine Teststraßen angesichts der verstärkten Nachfrage durch die Öffnungen bereits vergangene Woche vollkommen auf die Tests für den vorderen Nasenraum umgestellt. Man sehe darin auch "eine angenehmere Abnahme, die den Leuten zumutbar ist", heißt es aus dem Büro von Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP). Auch in Oberösterreich werden die Selbsttests nun in sieben Teststraßen sowie in mehr als 170 Gemeinden angeboten. In Wien sollen keine Selbsttests in der Teststraße zur Anwendung kommen.

Der Einsatz der Selbsttests birgt aber zwei Probleme: erstens sind die Tests oft nicht korrekt. In Vorarlberg, wo Wohnzimmertests als Zutrittstests schon seit Mitte März zum Einsatz kommen, waren nur 68 Prozent der positiven Selbsttests tatsächlich positiv, noch im April war sogar von nur einem Drittel die Rede. Darüber, wie viele Tests negativ ausfallen, obwohl jemand infiziert ist, gibt es in Vorarlberg keine Daten. Aus dem Gesundheitsministerium heißt es dazu: "Im Vorarlberger Setting konnten wir beobachten das anterior-nasale Tests eine ähnliche Sensitivität wie Nasen-Rachen-Abstriche vorweisen".

Experte ist skeptisch

Für den Mikrobiologen Michael Wagner sind diese Tests für die Früherkennung hingegen "weder intendiert noch geeignet", sagt er. Zwar haben Studien ergeben, dass ein Selbstabstrich aus der vorderen Nase Infizierte ähnlich gut erkennt wie Antigentests bei einer professionellen Probenentnahme im Nasenrachenraum – das gelte jedoch nur für symptomatische Infizierte, sagt Wagner. Bei asymptomatischen Personen würden die Tests wesentlich schlechter anschlagen, da sich in der Frühphase einer Infektion kaum Viruslast im vorderen Nasenbereich befindet.

Für das Bildungsministerium haben Wagner und sein Team durch die PCR-Gurgelstudie indirekt auch die Empfindlichkeit der Nasenbohrertests in Schulen im März untersucht. Dabei zeigte sich, dass die Nasenbohrertests circa 80 Prozent der infizierten Kinder und circa 50 Prozent der infizierten Lehrer übersahen – rund 40 Prozent davon waren auch infektiös. Welchen Einfluss Anwendungsfehler dabei hatten, wurde nicht erhoben. Für Wagner steht aber fest: "Mit den Nasenbohrertests in den Teststraßen werden wir weniger Infizierte herausfischen als mit den Antigentests für den Nasen-Rachen-Raum".

Im Gesundheitsministerium geht man dennoch nicht davon aus, dass die Infektionszahlen nun steigen werden: "Die aktuelle Fallprognose geht österreichweit von einer Fortsetzung des rückläufigen Fallgeschehens für alle Bundesländer aus." Ebenso wenig glaubt man, dass falsch positive Tests die Statistik verzerren werden, da positive Antigentests bei Personen ohne Symptomen und Kontakt zu Infizierten durch eine PCR-Testung nachbestätigt werden.

Fälschungen leicht gemacht

Das zweite Problem der Selbsttests: Die Systeme, die die Bundesländer planen, um zu Hause durchgeführte Tests einzumelden, sind in den bisher bekannten Systemen nicht besonders fälschungssicher – das gesteht auch Vorarlberg ein. Dort verlangt man, damit der Test behördlich anerkannt wird, nur ein Foto des Tests (und des entwerteten Tests) samt eines QR-Codes und einer ID, doch nicht von der Person, die den Test durchführt. Die Bundesländer, die bereits Lösungen ankündigten – dazu zählt seit Montag auch Wien –, werden das ebenfalls so handhaben.

Doch eine zu intensive Kontrolle könnte auch kontraproduktiv sein, merkt Gesundheitsinformatiker Robert Mischak an: "Man kommt da auch in ein kulturelles Dilemma. Die Frage ist: Will ich den Bürgern nicht vertrauen?" Ein Ablauf, bei dem Tests, womöglich sogar – wie im Falle des Wiener Systems Alles gurgelt – die Getesteten fotografiert oder gefilmt werden müssen, sei "ein genereller Misstrauensantrag an die Bevölkerung", sagt Mischak – und das könnte zu passivem Widerstand führen. (Eja Kapeller, Gabriele Scherndl, 17.5.2021)