Wie so oft auf Baustellen kommt es auch bei der ID-Card für in- und ausländische Baubeschäftigte zu Verzögerungen.

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Wien – Das Sozialpartnerprojekt Bau-ID-Card zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping in der Baubranche kommt nicht vom Fleck. In der jüngsten Sitzung der mit der Schaffung einer Identitätskarte für alle am Bau Beschäftigten betrauten Bauarbeiterurlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) Anfang Mai wurden die anstehenden Software- und Entwicklungsaufträge erneut nicht vergeben, erfuhr DER STANDARD von mit der Materie vertrauten Personen.

Nun wird es eng. Denn die eigens für die Einführung dieser ID-Card gegründete Bau-ID GmbH (eine Tochter der BUAK) hat dafür nur bis Sommer 2021 Zeit. Hält der Zeitplan nicht, braucht die mit Abgesandten der Bauindustrie und der Bau- und Holzgewerkschaft besetzte Aufsicht dieser Bau-ID GmbH neue Gremialbeschlüsse. Die bis dato für Konzeption und Vergaberechtsmodalitäten aufgewendeten gut 750.000 Euro wären dann verloren. Kritiker taxieren die – seitens der Gremien ordnungsgemäß genehmigten – "strandet costs" auf bis zu eine Million Euro.

Motor und Steuerung

Wie auch immer, der Erfolg des Unternehmens ist überschaubar. Außer der Auswahl eines Chipkartenlieferanten liegt bis dato nichts vor. Für die im Frühjahr 2020 erstmals ausgeschriebenen zentralen Teilprojekte Software, Identitätsprüfung und Payment-Services sind laut Insidern auch im zweiten Anlauf Anfang des Jahres 2021 keine zufriedenstellenden Offerten eingegangen.

Der einzige Interessent, ein finnischer Anbieter, bekam bis dato keinen Zuschlag – obwohl es um den Motor des Vehikels geht. Allein dieser Teil wird in der Branche auf 2,4 Millionen Euro taxiert. Inklusive Bezahl- und Identifizierungssystem wird das Gesamtvolumen auf 2,9 bis 3,3 Millionen Euro geschätzt.

"Kaufhaus Österreich 2.0"

Die Verspätung des Projekts, das nicht nur in der Baubranche längst als "Kaufhaus Österreich 2.0" bezeichnet wird, ist evident. Der Start des Probebetriebs im Herbst, wie auf der Website der Bau-ID-Card angekündigt, sei inzwischen ebenso illusorisch wie der "Vollbetrieb ab 2022", warnen mit Plattformökonomie nach Vorbild der E-Card vertraute IT-Experten.

Das Wasser, in dem gegen Lohn- und Sozialdumping gefischt wird, ist meist trübe – wie hier unter der Bierbrücke in der Hochwasser führenden Chemnitz.
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Zudem fehlen die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Denn die BUAK darf die persönlichen Daten "ihrer" rund 130.000 Bauarbeitnehmer und -arbeitnehmerinnen nicht außer Haus geben, nicht einmal an ihre eigene Tochter Bau-ID GmbH.

Kritik an Konstruktion

Ein Beamtenentwurf des Arbeitsministeriums, mit dem die Voraussetzungen für eine Bau-ID-Card geschaffen werden sollten, stieß in der internen Begutachtung auf massiven Widerstand, berichten Insider aus dem Ministerium. Insbesondere Spezialisten des Finanzministeriums für Lohn- und Sozialdumping (LSD) übten vernichtende Kritik.

Nun müssen sich Arbeitsminister Martin Kocher, Finanzminister Gernot Blümel und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (alle ÖVP) erklären. Denn die Neos hinterfragen die Branchenlösung ohne Einbindung der für die Verfolgung von Lohn- und Sozialdumping zuständigen Finanzpolizei. Sozialsprecher Gerald Loacker erkundet mittels parlamentarischer Anfragen an die drei Ministerien, ob es für das von BUAK und Sozialpartnern betriebene Projekt überhaupt einen Masterplan gibt. Eher scheine das ambitionierte Vorhaben "das Kaufhaus Österreich der Ausweise" zu werden.

Masterplan?

Loacker ortet in einer Branchenlösung Bau ohne Erweiterungsmöglichkeit für die Transportwirtschaft und andere betroffene Branchen pure Geldverschwendung, zumal es auf dem Markt längst einen Bauarbeiterausweis gebe, dem es aber an Schnittstellen zu Behörden und vor allem Kontrollwerkzeugen fehle. "Das Ziel ist hier augenscheinlich, der BUAK neue Aufgaben zuzuschanzen", argwöhnt Loacker. (Luise Ungerboeck, 17.5.2021)