Wie auch hierzulande sinkt in Italien die Kurve mit registrierten Covid-Neuinfektionen und -Toten beständig und liegt nun auf dem tiefsten Wert seit Oktober 2020, dem Beginn der zweiten Welle. Mit Wochenanfang wurde gleichzeitig die Quarantänepflicht für ausländische Gäste aus dem Schengenraum, Großbritannien und Israel aufgehoben.

Italiens Ministerpräsident Mario Draghi muss wegen Feinden innerhalb der Koalition auf der Hut sein.
Foto: EPA / Francisco Seco

Die auch in unserem südlichen Nachbarland arg gebeutelte Tourismusbranche atmet tief durch, die Bücher mit den Buchungen für die Sommersaison beginnen sich endlich zu füllen. Spätestens Ende Juni soll auch die immer noch geltende Ausgangssperre fallen, zumal schon heute 27 Millionen der 60 Millionen Italiener zumindest die erste Impfdosis erhalten haben. Italien sieht ein Licht am Ende des Tunnels.

Aus für das Impfchaos

Die enormen Fortschritte bei der Bekämpfung der Pandemie sind maßgeblich das Verdienst von Ministerpräsident Mario Draghi und des von ihm ernannten Sonderkommissars, General Francesco Paolo Figliuolo. Chaos und Freunderlwirtschaft beim Impfen wurden beseitigt, mit Öffnungen wurde so lange zugewartet, bis sie verantwortbar schienen.

Gleichzeitig hat Draghi den von seinem Vorgänger Giuseppe Conte übernommenen Plan zur Verwendung der 209 Milliarden Euro aus dem EU-Wiederaufbaufonds überarbeitet und mit den von Brüssel geforderten Strukturreformen ergänzt, die das Land auch wirtschaftlich wieder in eine bessere Zukunft führen sollen.

Draghi genießt bei der Mehrheit der Italiener auch knapp 100 Tage nach seinem Amtsantritt großes Ansehen und Vertrauen, und inzwischen ist seine Popularität größer als jene des ebenfalls schon beliebten Vorgängers Conte. Nicht wenige sähen den ehemaligen EZB-Chef am liebsten als Premier auf Lebenszeit.

Quertreiber Salvini – wieder einmal

Die große Ausnahme: Der Chef der rechtsnationalen Lega Matteo Salvini lässt keine Gelegenheit aus, die Politik der Regierungskoalition, der seine Partei notabene angehört, zu kritisieren. Dies betrifft insbesondere die Corona-Lockerungen, die Salvini zu wenig weit gehen. Und die Migrationspolitik ist für den Lega-Chef sowieso zu lasch.

"Seien wir realistisch: Diese Regierungskoalition wird weder die Justiz noch das Steuersystem reformieren können", stichelte Salvini. Und: "Falls Draghi Nachfolger von Staatspräsident Sergio Mattarella werden möchte, dann hätte er unsere volle Unterstützung."

Das war eine doppelte Provokation: Zum einen sprach Salvini Draghi die Fähigkeit ab, wichtige Reformen durchzuführen – und er ließ durchblicken, dass er den amtierenden Regierungschef am liebsten schon in einem Dreivierteljahr loswerden würde: Die siebenjährige Amtszeit des aktuellen Staatsoberhaupts läuft im Jänner 2022 ab. Die aktuelle Legislatur, und damit die Amtszeit Draghis als Premier, endet dagegen erst im März 2023.

Draghis Antwort: ein detaillierter Zeitplan für die Reformen inklusive des Jahres 2023. Draghi hatte Salvini bereits bei früheren Gelegenheiten auf ähnliche Weise abblitzen lassen. Als Salvini etwa eine Steueramnestie forderte, antwortete Draghi mit einem freundlich-ironischen Lächeln: "Natürlich haben alle Regierungsparteien ihre Lieblingsthemen, mit denen sie ihre Identität unterstreichen. Jetzt geht es aber darum, welche von diesen Themen dem gesunden Menschenverstand entsprechen – und auf welche man zum Wohl Italiens verzichten kann."

Sorge in Brüssel

Dennoch: Die Sorge, dass Draghi zum Staatspräsidenten gewählt werden könnte, hat sich inzwischen auch in Brüssel breitgemacht. Der ehemalige EZB-Chef ist für die EU-Kommission die Garantie dafür, dass das viele Geld aus dem Wiederaufbau sinnvoll verwendet und Italien endlich modernisiert, wettbewerbsfähig gemacht wird.

Mögliche Neuwahlen in Italien Anfang 2022, bei denen der rechte Salvini und die postfaschistische Giorgia Meloni das Rennen machen würden, mag sich in Brüssel derzeit niemand vorstellen.

Derzeit sind solche Szenarien zwar nicht sehr wahrscheinlich, doch die Spannungen in Draghis heterogener Koalition werden zunehmen. Im Herbst wird in den Metropolen Rom, Mailand, Neapel, Turin und Bologna gewählt. Es ist zu erwarten, dass Salvini – und nicht nur er – den Wahlkampf mit Härte führen und damit den wackeligen Koalitionsfrieden täglich aufs Neue stören wird. (Dominik Straub, 17.5.2021)