Der Umgang der türkisen Regierungsspitzen mit dem Ibiza-U-Ausschuss sorgte zu Wochenbeginn für eine Sondersitzung im Nationalrat, bei der die Wogen hochgingen: Recht kurzfristig wurde auf Initiative der SPÖ Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) für 13 Uhr zu einer dringlichen Anfrage herbeizitiert – weil er wegen möglicher Falschaussage im Zuge der Befragungen zu den Öbag-Bestellungen auch ins Visier der Korruptionsstaatsanwaltschaft geraten ist.

Er habe sich nie bereichert, beteuerte Kanzler Kurz vor dem Nationalrat. Das hatte ihm die Opposition aber auch nicht vorgeworfen.
Foto: APA / Robert Jaeger

Ursprünglich wollte man allen voran Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) löchern, der es wegen verschleppter Aktenlieferung an den U-Ausschuss sogar zu einem Exekutionsantrag des Verfassungsgerichtshofes beim Bundespräsidenten gebracht hatte. Gegen ihn brachten SPÖ, FPÖ und Neos einträchtig einen Antrag auf eine Ministeranklage ein, der wegen der türkis-grünen Mehrheit jedoch nie eine Chance auf Erfolg hatte. Bekanntlich wird Blümel in der Casinos-Affäre von der WKStA als Beschuldigter geführt, weil er vor seiner Zeit als Minister 2017 ein Spendenangebot des Glücksspielriesen Novomatic an die ÖVP vermittelt haben soll – für Blümel gilt wie für Kurz die Unschuldsvermutung.

Zwei Gesichter

Ob Novomatic, U-Ausschuss oder Schredderaffäre: Um 13 Uhr trat SPÖ-Fraktionschef Kai Jan Krainer ans Rednerpult, um Kurz, pünktlich auf der Regierungsbank erschienen, seinen "schlampigen Umgang mit der Wahrheit" vorzuhalten. Er konstatierte beim Kanzler zwei Gesichter: eines, das bei eingeschalteten Kameras für die Öffentlichkeit bestimmt sei, und ein anderes, das sich in seinen Chats zeige. Damit offenbare sich "ein Bild ohne Anstand, Respekt und Moral".

ORF

Danach war Kurz am Wort: Auch in der Pandemie und der Wirtschaftskrise sei es "die Entscheidung der Opposition, welchen Stil" sie bei ihren Vorwürfen wähle, hielt der Kanzler fest. Er und sein Team bekamen jedenfalls zweimal von den Wählern den Auftrag zu arbeiten, nun eben das Land durch die Krise zu führen. Doch die letzten Wochen hätten gezeigt, wie sehr gegen ihn mit "Diffamierungen" und auch Anzeigen gearbeitet werde.

Danach widmete sich Kurz den fünfzig roten Fragen, manche wies er als "unterstellend" zurück, manche als "bereits im U-Ausschuss beantwortet". Auf eine Frage antwortete er aber klar und deutlich: "Ich habe mich nie bereichert!"

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, die Kurz genauso wie Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) erst bei einer Anklage wegen Falschaussage als rücktrittsreif erachtet, mahnte in Richtung Kurz: "Niemand steht über dem Recht!", und: Was Recht und Unrecht betreffe, entscheide nicht die Bevölkerung, sondern unabhängige Staatsanwaltschaften und Richter.

H.-C. Strache lässt grüßen

Als Nächster legte FPÖ-Klubchef Herbert Kickl los: "Sie wandeln auf den Spuren von H.-C. Strache!", rief er Kurz zu. Anders als dem Ex-FPÖ-Chef habe den ÖVP-Spitzen aber niemand eine Falle gestellt, sie selbst würden nun über ihre eigenen Chats stolpern. Ein von Blau ins Spiel gebrachter Misstrauensantrag hatte an diesem Tag aber ebenfalls keinerlei Chance auf eine Mehrheit.

Grünen-Klubchefin Maurer erklärte zur "hochnotpeinlichen" Aktenverschleppung, dass Blümel "gerade noch die Kurve gekratzt" habe – so bald wie möglich würden dem Parlament nun die Unterlagen aus dessen Ressort auch elektronisch zur Verfügung gestellt.

Das Finanzministerium hat dann auch am Montag die Klassifizierung mancher Akten für den U-Ausschuss von "geheim" auf die Klassifizierungsstufe 1 "eingeschränkt" herabgestuft. Ein USB-Stick mit den Daten sei bereits eingelangt, teilte das Parlament mit.

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger erklärte, für sie passe "Regierungsbank und Anklagebank nicht zusammen". Erst recht sei Kurz bei einer Verurteilung rücktrittsreif, "ein krimineller Kanzler" dem Land nicht zumutbar.

Die ÖVP wehrte sich mit Gegenangriffen, hielt den Neos etwa ein nicht rechtskräftiges Urteil in einem Medienprozess vor, demzufolge behauptet werden darf, die Partei habe sich mit einer Auskunftsperson abgesprochen. Die Neos legten dagegen Berufung ein. (Fabian Schmid, Nina Weißensteiner, 17.5.2021)