Im Basislager des Mount Everest grassiert das Coronavirus.

Foto: Furtenbach Adventures

Die Todeszone. Gletscherspalten. Zusammenbrechende Eistürme. Höhenkrankheit, Schneeblindheit, Höhenpsychose, Lawinen. Der Mount Everest ist ein Wühltisch der tödlichen Gefahren. Und jetzt: Corona.

"Wenn man durch das Basislager geht, hört man aus verschlossenen Zelten überall Leute röcheln und husten. Man fühlt sich wie in einem Feldlazarett, es ist gespenstisch", sagt Lukas Furtenbach gegenüber dem STANDARD. Der Österreicher brach am Samstag als erster Veranstalter seine Everest-Expedition ab. "Selbst die Teams, die sich streng an die Maßnahmen gehalten haben, waren betroffen. Man ist nicht mehr ausgekommen", sagt er.

Der Berg ist groß, aber eng

Das Team von Furtenbach Adventures isolierte sich völlig – und trotzdem wurde ein Teilnehmer nach einer Akklimatisierungsrotation in höhergelegene Lager positiv getestet. "Unsere einzige Erklärung war der Khumbu-Eisbruch, wo man mit sehr vielen anderen Menschen eng aneinander steht. Durch die Anstrengung atmet jeder sehr schwer", sagt Furtenbach.

Auch das traditionelle Ritual vor einer Everest-Besteigung birgt Ansteckungsgefahr.
Foto: PRAKASH MATHEMA / AFP

Auftretende Covid-Symptome auf dem Weg zum Gipfel wären lebensgefährlich, eine Helikopterevakuierung kaum möglich – das könne und wolle er für seine 20 Kunden, vier Bergführer und 27 Sherpas nicht verantworten, betont der Tiroler. Schon auf 5.400 Meter Seehöhe gebe es im Basislager schwere Fälle.

Das Virus ist dabei

Dieses Basislager ist ein auf eineinhalb Kilometer verstreutes Zeltdorf, temporäre Einwohnerzahl: rund 1.500 Menschen. Der höchste Berg der Welt ist ein Geschäft mit allem machbaren Komfort vom Kinozelt bis zur Pizzaparty. 46 Expeditionen wollen auf den Berg, es gibt also immer wieder Neuankömmlinge – dass dabei auch Infizierte dabei sind, war unvermeidlich. Nepal ist derzeit eines der am schlimmsten von Corona betroffenen Länder.

Als der 29-Millionen-Einwohner-Staat rechtzeitig zum Start der Frühlingsbergsaison die Grenzen öffnete, gab es weniger als 100 Neuinfektionen pro Tag. Dann kam die indische Virusmutante. Nun hat Nepal täglich 9.000 Neuinfektionen, die Dunkelziffer ist angesichts einer Testpositivrate von 50 Prozent noch viel höher. Ortskundige berichten, dass die Lage noch schlimmer als im Nachbarland Indien ist.

Party, Party

Furtenbach erzählt, dass sich die Mehrzahl der Teams am Everest an die Vorsichtsmaßnahmen hält. "Aber es gibt einige wenige Teams, die das komplett ignorieren." Auf Instagram sind Partyvideos zu sehen, bei denen sich mehrere Teams vermischen.

Pikantes Detail: Auf dem aktuellsten sind auch Kletterer dabei, die zuvor auf dem Dhaulagiri waren – der Achttausender wurde nicht bestiegen, nachdem das Basislager zu einem einzigen großen Covid-Cluster geworden war. Laut "Explorers Web" hatten dort wiederum Kletterer das Virus eingeschleppt, die zuvor in Pokhara ihre erfolgreiche Besteigung des Annapurna gefeiert hatten.

Auch Popstar Mike Posner will auf den höchsten Berg der Welt. Im Basislager gibt's für Mitglieder unterschiedlicher Teams ein Privatständchen ohne Masken.

Im Everest-Basislager geht Corona schon seit mindestens einem Monat um, am 15. April wurde der Norweger Erlend Ness evakuiert und in Kathmandu positiv getestet. Furtenbach schätzt, dass schon über 150 Covid-Positive aus dem Basislager ausgeflogen wurden. "Ich bin sicher, dass man bei einem Massentest auf 30 bis 40 Prozent kommen würde."

Ein bisschen Ischgl

PCR-Tests im Basislager gibt es nicht, die nepalesischen Behörden leugnen den Ausbruch weitgehend. Notiz am Rande: Das Gebiet rund um den Everest ist wegen Corona gesperrt, deshalb ist der einzige Weg raus aus dem Basislager auch für Gesunde der Helikopter.

Nepal ist stark vom Berg- und Trekkingtourismus abhängig, die Wirtschaft litt unter dem ausgefallenen Jahr 2020. China hat auch die aktuelle Everest-Saison bereits für beendet erklärt, die Regierung untersagte Touren von der Nordseite des Berges – offiziell aus Angst vor Ansteckungen beim Zusammentreffen auf dem Gipfel.

Noch kein Abbruch

An der nepalesischen Südseite geht die Party weiter. Furtenbach hatte nach seinem Entschluss eine Kettenreaktion an Abbrüchen erwartet – doch die anderen Teams scheinen ihren Gipfelsturm (noch) durchziehen zu wollen. Laut dem Tiroler Bergführer brechen aber einzelne Teilnehmer ihre Expedition ab.

Ein erhofftes Wetterfenster Ende der Woche dürfte der an der indischen Küste wütende Zyklon verhindern, Ende Mai könnte wieder ein Aufstieg möglich sein. (Martin Schauhuber, 18.5.2021)