Ein israelischer Soldat blickt auf die libanesische Grenze, wo eine palästinensische Fahne weht.

Foto: AFP / Jalaa Marey

Beirut/Jerusalem – Ungeachtet internationaler Forderungen nach einer Waffenruhe haben das israelische Militär und militante Palästinenser ihre Angriffe fortgesetzt. Die israelische Luftwaffe attackierte am Dienstag erneut den Gazastreifen. Militante Palästinenserorganisationen feuerten wieder Raketen aus dem Küstengebiet ab, die in Städten im Süden Israels Luftalarm auslösten. Die israelische Regierung will an ihrer Offensive festhalten.

Der Uno-Sicherheitsrat hat am Dienstag angesichts der Gewalteskalation in Nahost seine vierte Dringlichkeitssitzung in acht Tagen abgehalten – und erneut ohne eine gemeinsame Erklärung beendet. "Wir glauben nicht, dass eine öffentliche Erklärung zu diesem Zeitpunkt zur Deeskalation beitragen wird", sagte die US-Botschafterin bei der Uno, Linda Thomas-Greenfield. Die USA hatten schon bei den vorigen drei Sitzungen eine Erklärung vereitelt. Die UN-Generalversammlung berät am Donnerstag über den Konflikt.

Die gegenseitigen Angriffe dauerten den nunmehr neunten Tag in Folge an. In der Nacht schien es zunächst auf beiden Seiten etwas ruhiger gewesen zu sein als in den vorangegangenen Nächten. Die Vereinten Nationen nutzten die kurze Öffnung eines Grenzübergangs, um Benzin in den Gazastreifen zu bringen. Den UN zufolge haben mehr als 52.000 Palästinenser infolge der israelischen Luftangriffe auf den Gazastreifen ihr zu Hause verloren. Etwa 450 Gebäude seien zerstört oder stark beschädigt worden, sagte der Sprecher des Büros der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (Ocha), Jens Laerke.

Ringen um Feuerpause – Ungarn blockiert

International gehen die Bemühungen um eine sofortige Waffenruhe weiter. US-Präsident Joe Biden telefonierte am Montag bereits das dritte Mal mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu seit dem Ausbruch der Kämpfe. Israel habe zwar das Recht, sich gegen Raketenangriffe zu wehren, teilte das US-Präsidialamt im Anschluss mit. Zivilisten müssten jedoch unter allen Umständen geschützt werden.

Auch der deutsche Außenminister Heiko Maas setzte sich ebenfalls für ein Ende der Kämpfe ein. Er forderte eine größere Rolle der EU bei der Vermittlung und dem humanitären Engagement im Gazastreifen. Deutschland stelle dafür 40 Millionen Euro zur Verfügung.

Die Außenminister der EU-Staaten konnten sich allerdings nicht auf eine gemeinsame Erklärung zur Eskalation des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern verständigen. Wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Dienstag nach einer Videokonferenz mit den Ministern, darunter Alexander Schallenberg (ÖVP), mitteilte, blockierte Ungarn eine von ihm vorgeschlagene EU-Positionierung. "Priorität hat der sofortige Stopp aller Gewalt und die Umsetzung einer Waffenruhe", sagte Borrell. Gründe für die ungarische Blockade nannte der Spanier nicht. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban pflegt allerdings eine strikt loyale Position zur israelischen Regierung und persönlich zu Regierungschef Netanjahu.

Frankreichs Regierung setzt derweil auf die Vermittlerrolle Ägyptens und des jordanischen Königs Abdullah II. Dies teilte Präsident Emmanuel Macron nach einem Treffen mit seinem ägyptischen Kollegen Abdel Fattah al-Sisi in Paris mit. Die Vermittlung könne Vertrauen wiederherstellen und eine mögliche Waffenruhe begleiten, so Macron.

Israel will keine Feuerpause

Die israelische Armee erklärte, die Angriffe fortzusetzen. "Wir sprechen nicht über eine Waffenruhe, wir konzentrieren uns auf den Beschuss", sagte Sprecher Hidai Zilberman im Armeeradio. "Die Kämpfe werden nicht enden so lange es nicht vollständige und langfristige Ruhe bringt", erklärte Israels Verteidigungsminister Benny Gantz in einer Videobotschaft.

Von der im Gazastreifen herrschenden Hamas und anderen radikalen Palästinensergruppen sind israelischen Angaben zufolge seit Ausbruch der Kämpfe mehr als 3450 Raketen auf Israel abgefeuert worden, von denen einige ihre Ziele aber nicht erreichten oder abgefangen werden konnten. Das Militär habe mit Luftangriffen und Artilleriefeuer rund 130 Hamas-Kämpfer und 30 Angehörige des Islamischen Dschihad getötet. Die Behörden im Gazastreifen sprechen von 215 getöteten Palästinensern, darunter seien 61 Kinder und 36 Frauen. Mehr als 1400 Menschen seien verletzt worden. In Israel wurden den Behörden zufolge zwölf Menschen getötet, darunter zwei Kinder.

Raketen aus dem Libanon

Am Montagabend waren dem israelischen Militär zufolge auch aus dem Libanon Raketen auf Israel abgefeuert worden. Sie hätten aber israelisches Gebiet nicht erreicht und seien noch vor der Grenze niedergegangen. Die Armee habe mit Artillerie zurückgeschossen.

Die schwersten Kämpfe zwischen Israel und radikalen Palästinensern seit Jahren gingen aus Auseinandersetzungen an der Al-Aksa-Moschee im von Israel besetzten Ostjerusalem hervor. Verschärft wurden die Spannungen durch Pläne, dort Häuser palästinensischer Familien zu räumen. Das Land wird von jüdischen Siedlern beansprucht. Am Montag vergangener Woche stellte die Hamas eine Frist für den Abzug israelischer Sicherheitskräfte von der Moschee und begann nach dem Ablauf mit Raketenangriffen. (red, Reuters, APA, 18.5.2021)