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Wien – Die vor drei Wochen von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck in Aussicht gestellten Änderungen im Kartell- und Wettbewerbsrecht haben Rechtsexperten aufgescheucht. Insbesondere die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WkStA) sieht den Watchdog an der kurzen Leine, sollte die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) der im Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz vorgesehenen Berichtspflicht unterworfen werden.

Ermittlungen wie etwa die aktuellen im sogenannten Baukartell könnten dadurch gefährdet sein, warnt WKStA-Leiterin Ilse Vrabl-Sander in ihrer Stellungnahme. "Der Entwurf des §1 Abs 4 WettbG geht weit über die verfassungsrechtliche Vorgabe hinaus. Er erweitert das Aufsichtsrecht der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort über die BWB in dreifacher Hinsicht über das gebotene Maß hinaus", heißt es in der auf der Parlaments-Website veröffentlichten Stellungnahme der WKStA.

"Unverzüglich" und "jederzeit"

Nicht hinter Gittern sehen die Staatsanwälte die BWB – wohl aber, dass durch die Politik deren Unabhängigkeit in Gefahr sei.
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Die Korruptionsstaatsanwälte begründen ihre Warnung folgendermaßen: Das Informationsrecht des Ministeriums gegenüber der BWB könne dann "jederzeit" und "unverzüglich" ausgeübt werden, und das auch noch uneingeschränkt. Denn das ministerielle Informationsbegehren beschränkt sich laut Gesetzentwurf nicht nur auf "Gegenstände der Geschäftsführung", sondern würde "jede 'Aufgabenerfüllung der Bundeswettbewerbsbehörde', sohin auch den operativen Bereich einschließlich der Ermittlungstätigkeit der BWB umfassen".

Vertrauen in Gefahr

Die vom Wirtschaftsministerium vorgebrachte Einschränkung, die Berichtspflicht gehe ohnehin nur so weit, als es die Unabhängigkeit der BWB zulasse, reicht den Korruptionsbekämpfern der WKStA nicht. Sie sehen den Geheimnisschutz und damit Hausdurchsuchungen und andere Zwangsmaßnahmen in Gefahr: "Sollte zu befürchten sein, dass die BWB fortan alle ihr zur Verfügung gestellten Informationen aus staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen auch dem mit Strafsachen nicht befassten Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort über dessen Verlangen jederzeit unverzüglich übermitteln müsste, wäre das bestehende Vertrauensverhältnis in Leidenschaft gezogen", heißt es wörtlich.

Heißt auf gut Deutsch: Müsste die BWB geplante Razzien an ihre Aufsichtsbehörde im Wirtschaftsministerium melden, bestünde Gefahr, dass diese verraten und betroffene Personen und Unternehmen gewarnt würden. Ermittlungserfolge der Korruptionsbekämpfer wären damit perdu.

Es soll Ausnahmen vom Kartellrecht geben, etwa für Klimaschutz. An messbare Kriterien oder Vorteile für Verbraucher sind diese allerdings nicht gebunden.
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Die WKStA verweist diesbezüglich auf einschlägige Erfahrungen: "Das Ansinnen der Aufsicht über die WKStA führenden Oberstaatsanwaltschaft, ihr in Verfahren von besonderem öffentlichen Interesse beabsichtigte – auch geheime – Zwangsmaßnahmen mehrere Tage vor ihrer Durchführung berichten zu müssen, hat sich nicht bewährt. Auf Weisung des Justizministeriums musste diese Berichtspflicht wieder ausgeschaltet werden."

Überhaupt tauge die Berichtspflicht im Justizministerium nicht als Vorbild, warnt die WKStA. Erstens berichteten Gerichte dem Justizministerium nicht über bevorstehende Zwangsmaßnahmen, und zweitens gebe es "im Einzelfall mögliche Namensunterdrückung bei Personenabfragen". Selbst von der Aufsicht im Justizministerium könnten "bestimmte sensible Informationen" nicht abgefragt werden.

Drohende politische Einflussnahme

Kritisch gesehen werden die von Wirtschafts- und Justizministerium geplanten Änderungen auch von Arbeiterkammer (AK) und Gewerkschaft (ÖGB). Es werde Raum für politische Einflussnahme geschaffen. "Was in den Erläuterungen als 'redaktionelle Anpassung' verkauft wird, führt de facto zu einer Einschränkung des Tätigkeitsbereiches der BWB", warnt ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian vor einem "gravierenden Eingriff in die Unabhängigkeit der BWB". Die geplante Anpassung schwäche die BWB, anstatt die nationalen Wettbewerbsbehörden zu stärken, wie von der EU-Kommission beabsichtigt.

Razzien und Whistleblowing gefährdet

Umfasse die Berichtspflicht an das Wirtschaftsministerium wie vorgesehen sämtliche Ermittlungstätigkeiten, wären Razzien und Whistleblowing-Meldungen ebenso in Gefahr wie Beschwerden über Marktmissbrauch oder Zusammenschlussmeldungen. Die EU-Richtlinie sehe genau deshalb "verhältnismäßige Rechenschaftspflichten" vor. "Es muss klargestellt werden, dass Anfragen an die BWB nicht darauf gerichtet sein können, dass über laufende (oder unmittelbar bevorstehende) Verfahren und sensible Ermittlungshandlungen berichtet werden muss", fordert die AK, die auch die geplanten Ausnahmen vom Kartellgesetz für Klimaziele kritisch sieht.

Heikle Ausnahmen für Umweltziele

Eine allgemeine Freistellung von Kooperation zur Erreichung allgemeiner Umweltziele aus dem Kartellrecht gehe zu weit. Laut den AK-Experten bestehe dadurch die Gefahr, dass Unternehmen durch "Greenwashing" vermeintlich den Anschein erweckten, Verbesserungen für Verbraucher herbeizuführen, obwohl es zu keinen oder nur geringfügigen Verbesserungen käme. Im Gegenteil, Konsumentinnen und Konsumenten würden dadurch mit Mehrkosten belastet, obwohl Maßnahmen oder Produkte langfristig keinen Nutzen für die Erreichung der Klimaziele brächten.

Kartellabsprachen ohne messbare Ziele?

Diese im Kartellrecht vorgesehene Ausnahme für Kartelle, an denen Verbraucher angemessen beteiligt werden und die zum "technischen oder wirtschaftlichen Fortschritt zu einer ökologisch nachhaltigen oder klimaneutralen Wirtschaft" beitragen, geht übrigens auch dem grün geführten Ministerium für Sozial-, Gesundheits- und Konsumentenschutz zu weit. Für "Kartellabsprachen unter dem Deckmantel des 'Green Deals' gebe es weder Parameter noch Kriterien, und es bestehe die Gefahr, dass diese zulasten der Konsumentinnen und Konsumenten" gingen – "ohne dass hierbei ein messbarer, kontrollierbarer und langfristiger Nutzen für die Umwelt zu verzeichnen ist". Diese Verbesserungen müssen zumindest wesentlich zu einer ressourceneffizienten Wirtschaft beitragen, fordert das Sozialministerium.

Die parlamentarische Begutachtungsfrist endet in der Nacht auf Mittwoch. (Luise Ungerboeck, 18.5.2021)