Fahren, kochen, verkaufen: Mit den Gastrofahrrädern kommt man auch dorthin, wo konventionelle Food-Trucks nicht hindürfen, etwa in Fußgängerzonen und Parks.

Foto: Paul & Ernst / Michael Rathmayr

Angefangen hat alles mit der Idee, Belugalinsen-Salat im Wiener Museumsquartier anzubieten – und zwar von einer fahrenden Küche aus. Inspiriert von den Street-Food-Kulturen in Südostasien und Südamerika sollte alles, was man für den Take-away-Betrieb braucht, in Form eines Lastenrads daherkommen – nachhaltig und "auf einem coolen Niveau". Paul Kogelnig und Ernst Stockinger zogen sich für die Umsetzung dieser Idee in eine Souterrainwerkstatt zurück, in der sie neben ihren Hauptjobs daran arbeiteten.

Ein Jahr später, und nach der Erkenntnis, dass sie sich damit ein "sehr komplexes" Unterfangen angetan hatten, war ein Prototyp fertig. Aus dem ursprünglichen Plan, damit selbst Bioprodukte zu verkaufen, wurde aber nichts. Denn es kamen immer mehr Anfragen von Unternehmern, die ein Gastrogefährt dieser Art haben wollten – zuerst aus dem Bekanntenkreis, später, als es eine Homepage gab, aus aller Welt. "Sobald die Website draußen war, waren wir international von null auf hundert. Wir bekamen E-Mails von überall", erinnert sich Kogelnig.

Vier Kategorien

Damals war Stockinger noch Architekt, Kogelnig richtete als Designer Markenboutiquen ein. Irgendwann beschlossen die beiden aber, "all-in" zu gehen: Sie kündigten ihre Jobs, legten ihr privates Geld zusammen und beantragten Förderungen für die Gründung ihrer Gastroradschmiede mit Namen Paul & Ernst.

Das Jahr der Firmengründung war 2015. Heute steht das Unternehmen mit Standort in Wien und Fertigung in Wattens bei knapp 20 Mitarbeitern. Von den Gastrobikes gibt es mittlerweile vier Kategorien – zum Kochen, für den Eis- oder Getränkeverkauf und für Promotions.

Kogelnig geht davon aus, dass heuer mehr als 200 Stück ausgeliefert werden, wobei der Preis pro Rad bei bis zu 15.000 Euro liegt. Sie werden nicht nur zum Arbeitsinstrument für Restaurants, Einzelunternehmer oder junge Food-Labels, viele gehen auch an Urlaubsresorts etwa nach Indien, Mexiko oder Dubai. "Im Moment schicken wir aber auch sehr viele Bier-Bikes nach Australien. Für uns ist das ein neuer Zukunftsmarkt", gibt Kogelnig ein Beispiel.

3D-Konfigurator

Mit der steigenden Nachfrage wurden auch die Technik und das Produktionssystem ausgefeilter. Die Gastroräder basieren auf einem modularen System, das sich an individuelle Kundenwünsche per 3D-Konfigurator anpassen lässt. Die Stücklisten mit richtigen Maßen werden dann gleich automatisch generiert. "Trotz Serienherstellung produzieren wir so in Losgröße eins", betont Kogelnig.

Größte Herausforderung sei es gewesen, den Größen- und Gewichtseinschränkungen eines Lastenrads zu entsprechen und trotzdem eine vollwertige Gastroausrüstung zu bieten. Die Batterie des Fahrzeugs speist nicht nur den Elektromotor, sondern auch Elektronik, Kassensystem, Wasserpumpe oder Kühlsystem.

Die Kapazität soll reichen, um im professionellen Betrieb über einen Achtstundentag zu kommen, in der Nacht wird wiederaufgeladen. Ein Wasser- und ein Abwassertank sowie in der Eisvariante eine Kühlmöglichkeit bis minus 18 Grad sind ebenso inkludiert.

Die Gründer glauben, mit den Gastrobikes so gut wie alle Vorteile großer Foodtrucks – also adaptierter Vans oder Lkws – bieten zu können, nicht aber deren Nachteile: Es gebe keine Kosten für Straßenzulassung oder Versicherung, dafür gelangt man damit auch in Parks, Strandbäder oder Fußgängerzonen. Auch als Markenbotschafter sieht Kogelnig die Räder: "Wenn die alteingesessene Bank damit Bausparer bewirbt, schaut deren Marke gleich um 20 Jahre jünger aus."

Nutzen in Corona-Zeiten

Zudem zeigte sich gerade in der Corona-Zeit mit der einhergehenden Unsicherheit für die Gastrobranche ein besonderer Nutzen: "Wir hatten zuerst einen kompletten Geschäftseinbruch. Doch mit dem zweiten und dritten Lockdown hat sich das Blatt vollkommen gewendet", schildert Kogelnig. "Unsere Räder sind als sichere Option in einer unsicheren Zeit wahrgenommen worden." Niemand in der Branche wusste, wann wieder Gäste bewirtet werden könnten, die Take-away-Möglichkeit blieb dagegen meist erhalten.

Die Zukunft soll Erweiterungen des Produktsortiments bringen: etwa sogenannte Pushcarts, Verkaufsstände, die man also vor sich herschiebt, sowie Bauchläden, die bei Sportveranstaltungen einsetzbar sind. Auch Bewirtungswägen für Züge und Flugzeuge werden angedacht.

Abseits des Premiumsegments gibt es zudem Pläne, gemeinsam mit einer NGO robuste, energieautarke Verkaufswägen für Einzelunternehmerinnen in Schwellenländern zu bauen. Kogelnig sieht Paul & Ernst für alles zuständig, was mobile Gastronomie ist, aber "kein Nummerntaferl braucht". (Alois Pumhösel, 19.5.2021)