Autonomer Lieferwagen von Udelv: Bislang ist der selbstfahrende Van nur in Texas unterwegs. Das könnte sich demnächst ändern.

Foto: Udelv Inc.

Im Frachtgeschäft fehlt es zunehmend an Fachkräften – vor allem Fahrer werden dringend gesucht. Laut einer Studie der International Road Transport Union (IRU) ist 2020 in Europa der Mangel an Lkw-Lenkern auf 36 Prozent angestiegen. Das Problem wird sich noch verschärfen: Im größten EU-Staat Deutschland werden bis 2027 voraussichtlich 40 Prozent der Trucker in Pension gehen.

Nachwuchs ist kaum in Sicht. Der Job gilt als unattraktiv. Autonome Lösungen werden daher immer interessanter: Wenn es an Personal mangelt, sollen in Zukunft die Brummis mit digitaler Hilfe ganz alleine und vollautomatisch über die Straßen düsen. Diese Zukunftsvision nimmt langsam Formen an.

Eine Firma, die sich dieser Thematik bereits seit einer Weile widmet, ist das US-Unternehmen Udelv. Die selbstfahrenden Liefervans des kalifornischen Start-ups sind in ihrer Heimat bereits im Einsatz — in Texas etwa stellt das Unternehmen XL Parts mit diesen Fahrzeugen Autoteile zu.

Spektakulärer Deal

Dabei will man es aber nicht belassen, wie Udelv nun mit einem spektakulären Deal deutlich machte: Die Amerikaner gingen Mitte April eine Partnerschaft mit dem israelischen Unternehmen Mobileye ein.

Die Intel-Tochter ist keine Unbekannte im Bereich der modernen Automobiltechnologie: So kommen Mobileyes Karten- und Lokalisierungstechnologien zum Beispiel schon in den Fahrzeugen verschiedener deutscher Hersteller zum Einsatz. Während solche Lösungen aber eher dazu dienen, die Sicherheit und den Komfort des Lenkers zu erhöhen, tüftelte man in Jerusalem auch an einem eigenen Self-Driving-System, das nun Marktreife erlangt hat.

Davon profitiert nun als Erstes Udelv: In alle Transporter der nächsten Generation wird das System integriert sein. Bis 2028 sollen mehr als 35.000 solche Gefährte auf den Markt kommen. Die ersten tausend hat sich bereits Donlen, einer der größten Anbieter von Flottenlösungen in den USA, gesichert.

Lukrative Ehe

"Wir können Mobileye Drive jetzt und in großem Umfang für den kommerziellen Einsatz bereitstellen", freut sich Mobileye-Präsident Amnon Shashua. Denn auch die Pandemie treibe das Geschäft derzeit an: "Covid-19 hat die Nachfrage nach autonomer Warenlieferung beschleunigt, und wir freuen uns, dieser Nachfrage kurzfristig nachzukommen."

Mit der neuen Kooperation solle diese Nachfrage nun rasch befriedigt werden, sagt Daniel Laury, Geschäftsführer von Udelv: "Die Marktreife von Mobileye Drive, zusammen mit seiner großen Kartenabdeckung in Nordamerika, Europa und Asien, wird es uns ermöglichen, die Produktion und den Betrieb von Udelv-Transportern schnell zu skalieren und die Transportdienstleistungen unserer wachsenden Liste an Geschäftskunden anzubieten."

Mobileye geht damit in diesem Jahr bereits die zweite lukrative Ehe ein: Anfang des Jahres tat man sich mit der französischen Lohr Group zusammen, um autonome Transportlösungen für den öffentlichen Nahverkehr zu entwickeln. Beim autonomen Fahren beschäftigen sich die Entwickler bislang vor allem mit der Personenbeförderung. Davon erhofft man sich in erster Linie die Reduktion von Unfällen und Emissionen.

Tonangebend sind dabei US-amerikanische Tech-Giganten wie Tesla, Amazon und Alphabet. Während Elon Musks Experimente bislang eher durch spektakuläre Crashs Schlagzeilen machten und Jeff Bezos vor allem mit Firmenübernahmen auf diesem Gebiet auffällt, ist Google in Form seines Subunternehmens Waymo schon deutlich weiter: In einem Vorort von Phoenix, Arizona, sind bereits selbstfahrende Taxis kommerziell im Einsatz — bislang aber noch zur Sicherheit mit Fahrern an Bord. Deren Eingreifen soll inzwischen bloß einmal auf 16.000 Kilometern notwendig sein.

"Fahrer herstellen"

Als Konkurrenz zur bestehenden Industrie betrachtet sich Waymo aber nicht, wie der im April abgetretene Geschäftsführer John Krafcik der Wirtschaftswoche verriet: "Die Autohersteller produzieren Autos und Trucks, während wir bei Waymo ,Fahrer herstellen‘: Das ist ein fundamentaler Unterschied." Anstatt also die alten Player anzugreifen, kooperiert man mit ihnen: Seit 2019 erkundet Waymo in Kooperation mit Renault Nissan Einsatzmöglichkeiten des autonomen Fahrens — auch im Frachtverkehr.

Die europäischen Entwickler hinken dem Trend allerdings noch hinterher – was sich erstaunlicherweise vor allem in der Autonation Deutschland zeigt: Die großen Konzerne sind derzeit noch mit der Datenanalyse beschäftigt.

Wenn überhaupt: Die Kooperation der Rivalen BMW und Mercedes-Benz in diesem Bereich, die im Februar 2019 noch Aufsehen erregt hatte, wurde bereits im vergangenen Sommer wieder auf Eis gelegt. Die derzeitige wirtschaftliche Lage lasse den großen Entwicklungsaufwand im Moment einfach nicht zu, lautete die Begründung. (Johannes Lau, 19.5.2021)