Josef Stern entstammte einfachsten Verhältnissen. Er erblickte am 14. März 1797 in Alberndorf im Pulkautal (Niederösterreich) das Licht der Welt. Seine Eltern Georg und Elenora Stern, geborene Widl, waren Kleinhäusler. Stern strebte eine geistliche Laufbahn an und trat in das Augustiner-Chorherrenstift St. Florian ein. 1823 zum Priester geweiht, wirkte er in den folgenden Jahren als Kooperator (Hilfsgeistlicher) in verschiedenen Stiftspfarren, zuerst in Windhaag bei Freistadt, ab 1824 in Regau und 1826 in Vöcklabruck. 1827 kehrte er in dieser Funktion an das Stift zurück, wo er nun zudem als Kustos der Münzsammlung fungierte. Dem Chorherrenstift unterstanden auch Pfarren im Land unter der Enns, so etwa in Weißenkirchen in der Wachau, wohin Stern 1841 versetzt wurde und wo er für den Rest seines Lebens als Seelsorger wirken sollte.

Der Chorherr als Agronom

Anders als heute hatten die Landgeistlichen des 19. Jahrhunderts oft ausreichend Muße, um sich wissenschaftlichen Interessen zu widmen. Viele von ihnen haben in den unterschiedlichsten Bereichen, von Botanik und Zoologie über Meteorologie und Geschichte bis hin zur Dialektologie, Bedeutendes geleistet. Auch Stern scheint umfassend interessiert gewesen zu sein. Sein Hauptbetätigungsfeld sollte jedoch die Agronomie werden, genauer gesagt der Weinbau und die Bienenzucht. Dabei blieb er nicht Theoretiker, sondern war auf beiden Gebieten ganz Praktiker.

Josef Stern (1797–1871).
Foto: Stiftsarchiv St. Florian

Sterns Pfarre besaß einen eigenen Weingarten, in dem er diverse Experimente durchführte, um Qualität und Ertrag zu steigern. Darüber und über vieles mehr berichtete er in seinem umfassenden Aufsatz "Bemerkungen über Weinbau und Weinbereitung in der Wachau", der 1853 in der Neujahrsnummer der "Allgemeinen Land- und Forstwirthschaftlichen Zeitung" erschien. Diese wiederum war das Organ der k. k. Landwirthschafts-Gesellschaft in Wien, die 1807 von Peter Jordan gegründet worden war. Mehrere dieser nach englischem Vorbild ins Leben gerufenen Gesellschaften entstanden ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch in Österreich. Die Initiative zur Gründung dieser Vereinigungen, die sich auch dem landwirtschaftlichen Versuchs-, Publikations- und Unterrichtswesen widmeten, ging oft von adeligen Großgrundbesitzern aus. Stern war gleich in drei von ihnen aktiv, neben der genannten Wiener Gesellschaft in der k. k. Mährisch-Schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde in Brünn sowie in der Steiermärkischen Landwirthschafts-Gesellschaft.

Stift St. Florian (1953).
Foto: Bildarchiv Austria

Erfolgreicher Winzer ...

In oben erwähntem Aufsatz schildert Stern ausführlich, wie der Weinbau in der Wachau ab der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert in eine tiefe Krise schlitterte, indem er durch in- und ausländische Konkurrenz ins Hintertreffen geriet. Dem versuchte man mit Anpflanzung der unter diversen volkstümlichen Namen bekannten Traubensorte Isidora nobilis (Weißgrober, Heunisch) entgegenzuwirken, die größere Erträge brachte, aus denen man nun auch zunehmend Weinessig erzeugte. Die Erfindung der synthetischen Essigherstellung bedeutete einen weiteren Einbruch, aus dem man sich durch erneuten Rebsortenwechsel zu Sterns Lebzeiten gerade aus der Krise herausbewegte: "So steht nun gedrängt durch die Noth der Weinbau in der Wachau auf einer Stufe, zu der er ohne dieselbe gewiß nie gekommen sein würde" – Ähnliches konnte man auch bezüglich der Entwicklungen nach dem Weinskandal der 1980er-Jahre immer wieder lesen ... Dass Stern als Winzer ein gutes Händchen hatte, beweist die Tatsache, dass sein Jahrgang 1863 auf der Landwirtschaftsausstellung im Rahmen des Kremser Volksfests von 1864 eine Bronzemedaille errang. Doch nicht nur im Weinbau, sondern vor allem auch als Imker hat sich Stern besondere Meriten erworben, sodass ihn "Der Practische Landwirth" 1865 gar zum "ersten österreichischen Bienenmeister" erhob.

… und aufmerksamer Bienenkenner und -züchter

Sterns Wirken als Bienenzüchter fällt in eine Zeit, in der sich die Grundlagen der modernen Imkerei gerade entwickelten: Um 1850 entdeckten etwa zur selben Zeit in Preußen Johann Dzierzon (Jan Dzierżon) und in den USA Lorenzo L. Langstroth den "bee space", die wohl wichtigste Grundlage der modernen Imkerei. Dabei handelt es sich um einen Abstand von acht bis zehn Millimeter, welchen die Bienen weder durch Wachsbrücken überbauen noch durch neue Waben ausfüllen – sondern einfach frei lassen. Mittels dieser Entdeckung konstruierte Langstroth den ersten erweiterbaren Bienenstock mit beweglichen Rähmchen, die herausgenommen werden konnten. Auch heute noch "bewohnen" circa 70 Prozent aller von Imkern betreuten Bienenvölker weltweit sogenannte Langstroth-Magazine.

Bienenhütte im steirischen Gößl am Grundlsee (1910).
Foto: Bildarchiv Austria

Stern indessen blieb in der Frage der richtigen Beute – so nennt der Imker die Bienenwohnung – eher der Tradition verhaftet: In seinem 1854 erschienen Werk "Wie kann man die Bienenzucht mit Nutzen betreiben?" – einer überarbeiteten Fassung seiner 1840 gedruckten "Anleitung zu einer naturgemäßen und nützlichen Pflege der Bienen" – bemerkte er noch "leichte Vorteile" für einfache Holzkästen ohne bewegliche Rähmchen gegenüber dem traditionellen Strohkorb. Beide Systeme erlaubten es allerdings nicht, sich einen Überblick über das Innere des Bienenstocks zu verschaffen. Umso mehr verwundert es, dass sich Stern der damals fast revolutionären Erkenntnis von Dzierzon anschloss, wonach die männlichen Drohnen aus unbefruchteten Eiern der Königin entstehen. Die von der Kirche als problematisch erachtete Jungfernzeugung – ein in der Insektenwelt häufig auftretendes Phänomen – brachte die katholischen Priester Dzierzon und Stern freilich in theologische Erklärungsnöte.

Im Hinblick auf die Betriebsweise suchte Stern die Vermehrung seiner Völker noch mittels Schwärmen sicherzustellen. Beim Schwarmvorgang zieht etwa die Hälfte des teilungswilligen Volks mit der alten Königin aus, um sich eine neue Bleibe zu suchen. Während Stern und seine Zeitgenossen das Schwärmen zu fördern suchten, trachtet der Imker von heute danach, es erst gar nicht so weit kommen zu lassen, bringt doch ein abgeschwärmtes Volk deutlich weniger Honig. Ein Irrtum, dem Stern aufsaß, war die Vorstellung, dass die Beute durch bunt bemalte Oberflächen die Orientierung der Honigbienen erleichtern sollte: Erst später wurde nachgewiesen, dass diese farbenblind sind. Wo Stern sehr wohl richtig lag, war die korrekte Einschätzung des Flugradius der Biene, den er mit einer Stunde Fußweg (circa drei bis vier Kilometer) als Entfernung richtig bemaß. Er wusste, wollte man Bienenvölker umsiedeln, so mussten sie außerhalb dieses Umkreises neu aufgestellt werden, andernfalls würden die Flugbienen wieder zum alten Standort zurückkehren.

Weißenkirchen in der Wachau.
Foto: Bildarchiv Austria

Förderer und Aufklärer

Der Wert von Sterns Werken über die Imkerei besteht aus heutiger Perspektive in seiner sehr umfassenden und detaillierten Zusammenschau des Übergangs von der traditionellen zur modernen Imkerei. Zeitlebens war er darum bemüht, neue Erkenntnisse der Weinbau- und vor allem der Imkerkunde unters Volk zu bringen. Er tat dies vorrangig durch zahlreiche Beiträge in einschlägigen Fachzeitschriften, neben der erwähnten "Allgemeinen Land- und Forstwirthschaftlichen Zeitung" auch im "Bericht über das Museum Francisco-Carolinum", in "Die Weinlaube. Zeitschrift für Weinbau und Kellerwirtschaft", im "Monatsblatt für die gesammte Bienenzucht" sowie in der "Bienenzeitung". 1840 erschien unter dem Titel "Krátké ponaučenj o wčelarstwj" eine Kurzfassung von Sterns Imkerhandbuch auch auf Tschechisch, mit einem Vorwort von dem Philologen und Historiker Alois Vojtěch Šembera. Als Netzwerker und Organisator weist Stern unter anderem die Tatsache aus, dass er im September 1853 als Vizepräsident der in Wien abgehaltenen "4. Wanderversammlung deutscher Bienenwirthe" fungierte. Diese fand im niederösterreichischen Landhaus in der Herrengasse sowie im Prater statt, beinhaltete sowohl eine Ausstellung wie eine "Preis-Ausschreibung" und sollte dazu dienen, die "Liebe zu den Bienen zu wecken und einen rationellen Betrieb der Bienenzucht zu fördern".

Matthias Rupertsberger, ein weiterer naturwissenschaftlich forschender Chorherr aus St. Florian, charakterisierte zwar Sterns Stil posthum als "häufig gar zu weitläufig". Doch merkte er auch an: "Was Stern that, das that er mit Liebe und ausdauerndem Fleiße, und darum stand er in Theorie und Praxis immer auf der Höhe seiner Zeit." Der leidenschaftliche Imker und Winzer im geistlichen Stand verstarb am 11. Mai 1871 in Weißenkirchen. (Hubert Bergmann, Philipp Dittinger, X.5.2021)