Bild nicht mehr verfügbar.

Bei der Autophagie werden Zellabfälle entsorgt: Im Autophagosom (große Kugel) wird der Müll gesammelt und dem Lysosom (orange) übergeben.

Foto: Picturedesk.com / Science Photo Library / Kateryne Kon

Seit es Menschen gibt, fällt es ihnen schwer, den Tod zu akzeptieren. Zaubertränke und alchemistische Mixturen, in jüngster Zeit auch Wunderpillen, werden als Geheimrezept für ein ewiges Leben angepriesen. Wissenschaftlich haltbar ist dieses Versprechen freilich nicht.

Allerdings hat die Forschung in den vergangenen Jahrzehnten tatsächlich einen Weg gefunden, der es ermöglichen könnte, den Alterungsprozess zu verlangsamen. Dabei geht es aber nicht um ein weiteres Wundermittelchen, sondern schlicht um Verzicht: das Fasten. Seit nahezu 40 Jahren beschäftigen die Effekte der Verminderung der Kalorienzufuhr die Wissenschaft.

Erste erstaunliche Wirkungen stellten Forscher an Mäusen fest: Wurde den Nagern die tägliche Kalorienzufuhr um 20 bis 40 Prozent gekürzt, verlängerte sich ihre Lebensdauer von den üblichen zweieinhalb Jahren auf durchschnittlich bis zu vier Jahre. Seither haben etliche Untersuchungen bei Versuchstieren positive Effekte periodischen Fastens auf den Stoffwechsel, die kardiovaskuläre und die allgemeine Gesundheit gezeigt.

Fehlende Reparaturmechanismen

Kann eine kalorienarme Ernährung der Schlüssel zu längerer Jugend – oder treffender gesagt, zu langsamerem Altern – sein? Um diese Frage zu beantworten, muss man zunächst den Vorgang des Alterns betrachten. Vereinfacht gesagt altern Organismen, da die Zellen im Gewebe und in den Organen älter werden und absterben. Mit der Zeit büßen Zellen zudem ihre Fähigkeit zur Teilung ein, Schäden an Organen und Geweben können nicht mehr repariert werden.

Kalorische Restriktion scheint diesen zellulären Alterungsprozess zu verzögern. In etlichen Studien zeigten sich durch eine Verringerung der zugeführten Energie positive Auswirkungen auf Gesundheitsparameter. Festgestellt wurden unter anderem vorteilhafte Wirkungen auf bestimmte Hormone und andere körpereigene Substanzen, die mit Langlebigkeit in Verbindung gebracht werden.

Unklar blieb lange Zeit, welche zugrunde liegenden Abläufe diese Verbesserungen auslösten. Inzwischen hat sich die Meinung durchgesetzt, dass sich das nicht an einem einzelnen Prozess festmachen lässt.

Ein molekularer Vorgang, der die Langlebigkeit beeinflusst, ist die körpereigene Signalübertragung. Mithilfe dieser auch als Signaltransduktion bezeichneten Prozesse reagieren Zellen auf äußere Reize. Ein Signal, das Zellen aktiviert, ist beispielsweise die verstärkte Ausschüttung von Insulin nach Mahlzeiten. Ist der Level des Hormons durch dauernde Verpflegung konstant erhöht, sind die Körperzellen ebenfalls stetig aktiv, was letztlich ihre Lebensdauer verkürzen kann.

Selbstreinigung der Zelle

Nahrungsfreie Perioden setzen ihrerseits eine Kaskade biochemischer Abläufe in Gang. Ist der Körper nicht dauernd mit der Verarbeitung von Essen beschäftigt, kümmert er sich etwa um die eigene Instandhaltung. Ein zentraler Prozess ist die Autophagie, eine Art körpereigenes Recyclingprogramm, das der Selbstreinigung der Zelle dient. Es schützt einerseits vor Einflüssen, die das Erbgut schädigen können, andererseits unterstützt es die stete Neubildung der Körperzellen.

"Die Mechanismen, wie Fasten die Lebensspanne beeinflussen kann, sind komplex und nicht vollständig verstanden. Forschungsergebnisse der letzten drei Dekaden weisen auf verschiedene Mechanismen hin", sagt Werner Zwerschke, der an der Universität Innsbruck zu Fasten forscht.

Experten bezweifeln zwar, dass kalorische Restriktion bei Menschen tatsächlich die Lebensdauer verlängern kann. Bisherige Erkenntnisse deuten aber darauf hin, dass eine reduzierte Kalorienzufuhr Menschen gesünder altern lässt. Denn länger vital bleibende Zellen könnten auch Gebrechen des fortschreitenden Alters wie Gefäß- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen hinauszögern.

Weniger Schädigungen

"Nachdem bei niedrigerer Kalorienzufuhr weniger Sauerstoffradikale in den Mitochondrien anfallen, sind auch weniger Schädigungen an den verschiedenen Zellbestandteilen zu beobachten", sagt Jürgen König, Leiter des Departments für Ernährungswissenschaften der Universität Wien.

Dieser Effekt führe hypothetisch dazu, dass Zellen länger überleben könnten. "Nachgewiesen ist das bisher allerdings nur im Tierversuch", fügt er hinzu. Der Großteil des Wissens zu den Effekten des Fastens ist bis dato nur durch Studien an Modellorganismen wie Hefe oder durch Versuche mit Mäusen oder Ratten belegt.

Eine der brennenden Fragen der Wissenschaft ist daher, wieweit diese Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind. "Zu klären bleibt auch, was diese Erkenntnisse für unsere Empfehlungen zur Kalorienzufuhr und für unser gesamtes Essverhalten bedeuten", sagt König.

Zu viel Energie

Denn grundsätzlich werde in unserer Gesellschaft zu viel Energie aufgenommen, mit den bekannten Folgen wie Übergewicht, Adipositas, Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs. Eine Reduktion beziehungsweise eine Normalisierung der Energiezufuhr sei zur Prävention dieser Erkrankungen zwar sehr sinnvoll. "Das ist aber nicht der Effekt, den man bei kalorischer Restriktion meint, dabei geht es um Wirkungen über diese bekannten Effekte hinaus."

Die offene Frage sei allerdings, ob sich eine gesenkte Energiezufuhr – über die Normalisierung des Körpergewichts hinaus – günstig auf den Alterungsprozess beim Menschen auswirke. Diesen Beweis zu erbringen ist die derzeit wohl größte Herausforderung, wie auch aus Diskussionen um einzelne klinische Studien hervorgeht.

Für valide Ergebnisse brauche es eine lange Beobachtungsdauer von Teilnehmenden unter standardisierten Bedingungen. "Kompliziert wird der Nachweis auch durch die hohe Flexibilität unseres Energiehaushalts, sodass eine überzeugende Evidenz beim Menschen sehr schwer zu erbringen sein wird", sagt König. (Marlene Erhart, 24.5.2021)