Eine Aufnahme des Quartiers im November 2018.

Foto: Christian Fischer

Es war ein großer politischer Skandal, der 2018 über Niederösterreichs Landesgrenzen hinaus diskutiert wurde: In einer Unterkunft in Drasenhofen wurden unbegleitete minderjährige Flüchtlinge festgehalten, durften nur einmal pro Tag für eine Stunde in Begleitung von privaten Security-Kräften hinaus. Um das Gebäude war ein Stacheldrahtzaun angebracht. Zuständig für die Vorgänge war Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ).

Politisch wurde die Sache wenige Tage nach Bekanntwerden geklärt, die Flüchtlinge wurden verlegt, das Quartier geschlossen. Doch juristisch wurde beziehungsweise wird die Sache bis heute aufgearbeitet. Und diese Aufarbeitung ist nun um eine Entscheidung reicher: Ein damals von der Unterbringung Betroffener reichte Maßnahmenbeschwerde ein. Nun steht fest, dass die Unterbringung rechtswidrig war. Das entschied das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich.

Neues Erkenntnis

Die Beschwerde richtete sich sowohl gegen die Verbringung in das Quartier als auch die Art und Weise der Unterbringung. Im Erkenntnis des Gerichts, das dem STANDARD vorliegt, ist von einer Verbringung Jugendlicher in "ein Gebäude, das von einem Zaun mit Stacheldrahtbewehrung umgeben war, mit strikten, zeitlich rigiden Ausgangsbeschränkungen, mit mangelhaften hygienischen und sanitären Zuständen" die Rede, und ebenso davon, dass diese "ganz offensichtlich lediglich auf der Anordnung des zuständigen Landesrates der niederösterreichischen Landesregierung" beruhte.

Das Landesverwaltungsgericht entschied eigentlich schon einmal in der Sache und wies die Beschwerde damals zurück – unter anderem mit dem Hinweis darauf, dass das Quartier von einer privaten Firma betrieben wurde. Der Verfassungsgerichtshof hob diesen Beschluss jedoch auf und bezeichnete diesen als "objektive Willkür". Deshalb musste das Landesverwaltungsgericht nun neu entscheiden.

"Um die Freiheit eines Menschen zu beschränken, braucht es eine Rechtsgrundlage und einen entsprechenden Anlass. In Drasenhofen lag weder das eine noch das andere vor. Die Internierung der Jugendlichen war daher illegal", sagt Rechtsanwalt Clemens Lahner, der den Beschwerdeführer vertrat.

Ermittlungen der WKStA

Die Entscheidung ist rechtskräftig. "Die Fachabteilung Asyl und Integration des Landes Niederösterreich prüft aktuell die Einbringung allfälliger Rechtsmittel", heißt es in einer Stellungnahme von Waldhäusl, die dem STANDARD übermittelt wurde. Es verbleibt lediglich die Möglichkeit einer außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof.

Zudem stellt Waldhäusl die Unabhängigkeit der Justiz infrage: "Die angeblich unabhängigen Gerichte entscheiden in letzter Zeit oft im Sinne der Täter, vom Opferschutz keine Spur." Der FPÖ-Politiker bezieht sich damit unter anderem darauf, dass der Beschwerdeführer in der Vergangenheit mit dem Gesetz in Konflikt kam.

Bereits 2018 wurde eine vermutete Gefährlichkeit der in Drasenhofen untergebrachten Flüchtlinge vorgebracht, die Rede war etwa von "notorischen Unruhestiftern".

"Wenn Herr Waldhäusl meint, dass jemand eine Straftat begangen hat, dann kann er das gerne bei der Polizei anzeigen. Er kann aber nicht ohne Rechtsgrundlage ein Privatgefängnis errichten und Jugendliche hinter Stacheldraht internieren. Und das hat er jetzt schriftlich, im Namen der Republik", sagt Lahner dazu.

Doch auch auf strafrechtlicher Ebene könnte die Angelegenheit für Waldhäusl noch Folgen haben: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelte wegen Verdachts des Amtsmissbrauchs. Ein Vorhabensbericht wurde jedenfalls schon an die Oberstaatsanwaltschaft übermittelt, dieser ist mittlerweile retour gekommen, und man arbeite an seiner Umsetzung, heißt es seitens der WKStA. Zum Inhalt des Berichts, also ob es zu einer Anklage kommen wird oder nicht, darauf gibt die WKStA derzeit noch keine Auskunft. (Vanessa Gaigg, 18.5.2021)