Ein typischer einfacher Antikörpertest bestimmt nur, ob Antikörper vorliegen. Aufschlussreicher sind Neutralisationstests, die aber auch deutlich aufwendiger sind.

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Geimpft, getestet oder genesen: Diese drei "G" werden in den nächsten Wochen unseren Alltag mitbestimmen. Und bei allen drei "G" gibt es wieder besondere Zusatzbedingungen. So muss die Erstimpfung mehr als 21 Tage zurückliegen, ehe der Status "geimpft" erfüllt ist; sie darf aber auch nicht länger als drei Monate her sein. Für den Status "genesen" gilt "ein Nachweis über neutralisierende Antikörper, der nicht älter als drei Monate sein darf", wie es in der "Verordnung über erste Öffnungsschritte in Bezug auf die Covid-19-Pandemie" unter § 1, Punkt 7 heißt, die vorerst nur bis zum 30. Juni gültig ist.

Dieser Nachweis mit einem positiven Antikörpertest aus dem Labor kann aber theoretisch verlängert werden, wie Katharina Reich, Generaldirektorin für die Öffentliche Gesundheit, am Dienstag im Ö1-"Morgenjournal" bestätigte – auch wenn es zu den Antikörpertestungen "noch die schlechtesten Daten" gebe, wie Reich wörtlich hinzufügte.

Was mit der schlechten Datenlage gemeint ist, erläutert der Infektiologe Herwig Kollaritsch (Med-Uni Wien): Die üblichen Antikörpertests seien noch nicht validiert und würden nur feststellen, ob im Blut Antikörper gefunden wurden oder nicht. Über die Konzentration der Antikörper (also den sogenannten Antikörpertiter) geben nur "echte" Neutralisationstests Auskunft, sagt der Impfexperte, der auch Mitglied des Nationalen Impfgremiums ist.

Probleme der Validierung

Doch auch diese Tests haben ihre Probleme, insbesondere in der Massenanwendung, ergänzt Kollaritsch: "Solche Tests können aufgrund der Sicherheitsbestimmungen nur von relativ wenigen Labors in Österreich und entsprechend auch nicht massenhaft durchgeführt werden." Zudem seien die ermittelten Werte von Labor A und Labor B nicht exakt vergleichbar. Sprich: Es gibt keine Standardisierung, was im Übrigen etwa auch für die Antikörperbestimmung bei der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) gelte.

Aus diesem Grund rät auch das Nationale Impfgremium bisher von solchen Tests etwa nach Impfungen ab. "Antikörperbestimmungen zur Bestätigung eines durch die Impfung induzierten Schutzes erscheinen derzeit nicht zielführend, weil kein Schutzkorrelat etabliert ist und auch die maßgeblich zum Schutz beitragende zelluläre Immunität so nicht messbar ist", heißt es in der Empfehlung von Ende April.

Zwei neue Untersuchungen

Zwei neue Studien, die dieser Tage erschienen, bringen immerhin etwas mehr Klarheit in der Frage, was Antikörpertests und Antikörperwerte über den Schutz aussagen: Eine neue britische Untersuchung, die nur als Preprint am Dienstag veröffentlicht wurde, bestätigt bisherige Annahmen über die Antikörperbildung nach Impfungen. Und eine am Montag erschienenen australische Arbeit im Fachblatt "Nature Medicine" gibt unter anderem Hinweis darauf, welche Antikörperwerte welchen Immunschutz bedeuten und wie beide im Laufe der Zeit nachlassen.

Die in Wales und England durchgeführte Untersuchung, über die unter anderem der "Guardian" berichtete, zeigte, dass 96,42 Prozent der Probanden 28 bis 34 Tage nach der ersten Dosis der Impfstoffe von Astra Zeneca oder Biontech/Pfizer Antikörper gegen das Coronavirus entwickelt hatten. Fast 100 Prozent (konkret: 99,08 Prozent) taten dies nach der zweiten Impfung, wie die Forschenden um Erstautorin Maddie Shrotri vom University College London (UCL) berichten. Es gab dabei so gut wie keine Unterschiede zwischen den beiden Impfstoffen.

Vorhersagekraft der Antikörpertiter

Die australischen Forschenden um David Khoury (University of New South Wales in Sydney) wiederum analysierten die Beziehung zwischen neutralisierenden Antikörperspiegeln und dem beobachteten Covid-19-Schutz anhand von Daten zu sieben Impfstoffen und Daten über Genesene. Das ebenfalls nicht ganz überraschende Hauptergebnis: Die neutralisierenden Antikörpertiter haben durchaus eine hohe Vorhersagekraft für den Immunschutz von Covid-19-Impfstoffen – auch hinsichtlich der Dauer der Schutzwirkung. Sprich: Der Antikörperspiegel ist trotz mangelnder Standardisierbarkeit ein durchaus brauchbarer Hinweis auf Schutz.

Grundsätzlich bestätigte die Untersuchung, dass der Immunschutz und auch der Antikörpertiter durch mRNA-Impfstoffe höher ist als der durch eine überstandene Infektion, wie die folgende Grafik zeigt.

Die Wirksamkeiten des Schutzes durch die verschiedenen Impfungen (rechts oben die mRNA-Impfungen), blau der Schutz durch Infektion (Convalescent).
Foto: Khouri et al., Nature Medicine 2021

Nimmt man nun den mittleren Antikörpertiter von Genesenen, dann bieten laut der Studie 20,2 Prozent dieses Werts einen 50-prozentigen Schutz vor einer Infektion. Und nur drei Prozent dieses mittleren Genesenen-Antikörpertiters schützten zu 50 Prozent vor einer schweren Infektion.

Dauer der Schutzwirkung

Die Studie zeigte zudem, dass ein hoher Antikörpertiter unmittelbar nach der Impfung auch 250 Tage danach (das sind mehr als acht Monate) immer noch ziemlich hohe Werte bringt und weniger schnell abfällt als ein niedriger Antikörpertiter zu Beginn. Das bedeutet, dass der Impfschutz länger anhalten dürfte als der Infektionsschutz. Die Untersuchung bestätigte aber einmal mehr, dass bei Virusvarianten die neutralisierende Wirkung sowohl von Impfungen wie Infektionen nachlässt.

Abnahme der Wirksamkeit nach 250 Tagen je nach ursprünglicher Schutzwirkung.
Grafik: Khoury et al., Nature Medicine 2021

Für Kollaritsch ist diese Studie ein wichtiger Beitrag dazu, die Beziehung zwischen Antikörpertiter und Immunschutz zu präzisieren. Dennoch werden seiner Ansicht nach Antikörpertests aus den ganz oben genannten Gründen vermutlich nicht zum Mittel der Wahl werden, um künftig individuell festzustellen, ob es eine dritte Impfung braucht.

Der Impfexperte geht vielmehr davon aus, dass man sich auf Basis solcher und weiterer Studien – insbesondere auch zu Virusvarianten – darauf verständigen wird, Auffrischungsimpfungen nach einem verbindlichen Zeitraum für alle vorzuschreiben. Die Dauer bis zum dritten Stich – denkbar seien etwa zwölf Monate – werde sich dabei danach bemessen, ob innerhalb dieses Zeitraums für eine große Mehrheit der Geimpften (Kollaritsch nennt 95 Prozent) noch ein guter Immunschutz besteht.

Neutralisierende Antikörpertests werden laut dem Impfexperten mittel- und längerfristig zwar auch sinnvoll sein – "aber vor allem für jene Personen, die ein geschwächtes Immunsystem haben und bei denen eine regelmäßige Überprüfung des Immunstatus nötig ist". (Klaus Taschwer, 18.5.2021)