Unruhe und Übelkeit machen sich am Sonntagabend breit, und das nur bei dem Gedanken an Montagmorgen? Dieses Gefühl kennen Menschen, die von einer Arbeitsplatzphobie betroffen sind. Welche Ursachen die Angst haben kann und wie Betroffene dagegen vorgehen können – ein Überblick.

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"Negative Auswirkungen kann das Arbeiten in den eigenen vier Wänden für diejenigen haben, die zusätzlich unter Einsamkeit leiden und sich mit ihren Ängsten alleingelassen fühlen", sagt Arbeitspsychologe Andreas Kremla.
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Frage: Was versteht man unter einer Arbeitsplatzphobie?

Antwort: Ganz grundsätzlich ist eine Phobie eine Angststörung. Das bedeutet, dass die Ängste regelmäßig auftreten und das Leben von Betroffenen beeinträchtigen. "Die Arbeitsplatzphobie kann sich auf den Arbeitsplatz als Ort sowie auf Personen oder Situationen beziehen", sagt Arbeitspsychologin Bettina Wegleiter. Betroffene versuchen deshalb häufig angstauslösende Situation zu vermeiden, und dadurch kommt es zu einer massiven Einschränkung der Lebensqualität. "Nicht nur die Situation selbst, sondern auch die Vermeidung derselben ist eine Belastung für Betroffene", sagt sie.

Frage: Welche Anzeichen gibt es?

Antwort: Betroffene leiden meist unter allgemeiner Unruhe, Schweißausbrüchen, Zittern oder Schlafstörungen. Aber auch verändertes Verhalten wie schnelle Gereiztheit und sozialer Rückzug können Anzeichen einer Angststörung sein. "Ein sehr deutliches Warnsignal im Unternehmen ist die Zunahme von Krankenstandszeiten", sagt Wegleiter. Arbeitgeber sollten hier keinesfalls wegschauen, mahnt sie. Denn nehmen Belastungen im Arbeitsumfeld überhand, steigen meist auch die Fehlzeiten und Krankheitstage, und das wirkt sich auf alle im Unternehmen negativ aus.

Frage: Was sind die Auslöser dafür?

Antwort: "Angstzustände, die die Lebensqualität beeinträchtigen, kommen vor allem bezogen auf einzelne Arbeitsplatzfaktoren vor", sagt Arbeitspsychologe Andreas Kremla. Beispielsweise in Form von Leistungsangst, Versagensangst, sozialen Ängsten oder auch durch massive Konflikte mit Kollegen oder Führungskräften. Die Ängste zeigen sich vor allem da, wo Beziehungen am Arbeitsplatz nicht funktionieren, das Betriebsklima gestört ist, aber auch bei großen Veränderungen. "Ein – seit Corona – sehr aktuelles Beispiel ist auch die Angst vor dem Jobverlust", sagt er. Die Pandemie habe insgesamt zu Belastungen und einem vermehrten Auftreten von Ängsten am Arbeitsplatz beigetragen, sind sich beide Arbeitspsychologen sicher.

Frage: Wer ist davon betroffen?

Antwort: Eine besonders gefährdete Gruppe gebe es nicht, sagen die Arbeitspsychologen. Das Auftreten von Ängsten sei ein Zusammenspiel aus biologischen und sozialen Faktoren – und in einem geringen Ausmaß auch kein Grund zur Sorge. Insgesamt spiele vor allem die seelische und körperliche Belastung eines Arbeitenden sowie die Möglichkeit, Konflikte anzusprechen und aufzulösen, eine entscheidende Rolle. Ein mögliches Szenario sieht Kremla bei Beschäftigten in Branchen, in denen viel Veränderung stattfindet, beispielsweise aufgrund von Digitalisierung und Automatisierung. "Wenn der ehemals sichere Arbeitsplatz nun durch externe Faktoren bedroht ist und Beschäftigte sich mit dieser Unsicherheit dann auch noch alleingelassen fühlen, kann das ein Auslöser für eine solche Angst oder eine Angststörung sein", sagt er. Der Arbeitspsychologe denkt, dass auch Führungskräfte oft betroffen sein könnten. Denn durch ihre Position zwischen Geschäftsführung und dem eigenen Team gebe es Konfliktpotenzial auf zwei Ebenen.

Frage: Wie wirkt sich das Arbeiten von zu Hause auf eine Arbeitsplatzphobie aus?

Antwort: "Für Menschen, die unter spezifischen Belastungen am Arbeitsplatz leiden, könnte das Homeoffice zunächst als vorteilhaft gesehen werden, um Konflikten oder unangenehmen Situationen aus dem Weg zu gehen", sagt Kremla. Eine Dauerlösung für Betroffene sei das jedoch in keinem Fall. Denn auf der anderen Seite werde dadurch das Vermeidungsverhalten gefördert und die Ängste aufrechterhalten, oder sie werden bei einer Rückkehr an den Arbeitsplatz sogar verstärkt. "Negative Auswirkungen kann das Arbeiten in den eigenen vier Wänden außerdem für diejenigen haben, die zusätzlich unter Einsamkeit leiden, wenig soziale Kontakte haben und sich mit ihren Ängsten alleingelassen fühlen", sagt er.

Frage: Was kann man dagegen tun?

Antwort: Vielen Betroffenen ist gar nicht klar, dass sie überhaupt betroffen sind. "Sich diese Angst erst einmal einzugestehen, ist der erste und zugleich der schwierigste Schritt in unserer von Leistung und Selbstoptimierung getriebenen Gesellschaft", sagt Kremla. Neben Selbstreflexion und Entspannungstechniken wie autogenes Training oder Achtsamkeitsübungen sind laut den Psychologen vor allem Beziehungen zu anderen wichtig. "Wer seine Ängste mit anderen teilen kann, fühlt sich weniger hilflos", sagt Kremla. Wichtig ist, dass Betroffene Belastung und Konflikte am Arbeitsplatz ansprechen können und dann gemeinsam im Team oder mit den Vorgesetzten eine Lösung finden. "In extremen Fällen, zum Beispiel bei Mobbing, kann auch der Wechsel des Arbeitsplatzes zu einer Besserung der Situation beitragen", sagt Wegleiter. Wenn Angststörung und Symptome jedoch über einen längeren Zeitraum auftreten, können professionelle Beratung und Therapie hilfreich und entlastend sein. (Anika Dang, 27.5.2021)