Behindertenverbände befürchten Einschnitte in der Barrierefreiheit bei künftigen Neubauten mit kleinen günstigen Wohnungen in Salzburg.

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Es ist bereits der zweite Anlauf, ein Maßnahmengesetz für leistbares Wohnen in Salzburg durchzubringen. Im Vorjahr führte der erste Versuch von ÖVP und Neos zum Koalitionskrach mit den Grünen. Nun sind sich alle drei Koalitionspartner einig und wollen fünf Gesetze adaptieren, um das Bauen von Wohnungen günstiger zu machen. Doch Behindertenorganisationen kritisieren das geplante Gesetz weiterhin.

Kern des Novellenpakets sind die sogenannten Startwohnungen, für die künftig reduzierte bautechnische Anforderungen gelten sollen. Das Land will damit die Errichtung von Mietwohnungen zwischen 45 und 65 Quadratmetern um zehn Prozent günstiger machen. Bisherige Vorschriften wie verpflichtende Abstellräume, Spielplätze oder zur Zimmergröße sollen wegfallen. Einen gesetzlich verordneten Lift wird es ab dem dritten Obergeschoß und bei mehr als zwölf Wohnungen geben. Bisher war dieser ab neun Wohnungen vorgeschrieben.

Die Begutachtungsfrist für die Gesetzesnovellen endete am 14. April. 28 Stellungnahmen seien eingegangen, heißt es aus dem Büro von Raumordnungslandesrat Josef Schwaiger (ÖVP). Nun arbeite die Legistik diese Positionen auf, dann werde es eine politische Diskussion geben. Beschlossen werden soll das Paket vor der Sommerpause.

Verband: Kostenargument falsch

Der ÖZIV-Bundesverband kritisiert, dass Barrierefreiheitsstandards durch die Hintertür gesenkt werden sollen. Die Landesregierung führe fälschlicherweise das Kostenargument ins Treffen, obwohl Studien bereits zu dem Ergebnis gekommen seien, dass die Barrierefreiheit nur ein Prozent der Gesamtbaukosten ausmache. "Wirklich preistreibend im Land Salzburg ist nicht die Barrierefreiheit, sondern die stetig steigenden Grundkosten", sagt die Salzburger ÖZIV-Präsidentin Margarete Brennsteiner-Köckerbauer.

"Menschen mit Behinderungen, Familien mit Kindern, ältere Menschen werden damit von diesen günstigen Wohnungen ausgeschlossen", heißt es von der Plattform für Menschenrechte. Sie kritisiert auch die kurze Begutachtungsfrist von nur einem Monat. In anderen Bundesländern gebe es Befürchtungen, dass das Salzburger Beispiel Schule mache und das österreichweit zu einer Senkung der Standards für Barrierefreiheit führe, heißt es von der Plattform. Sie appelliert an die Regierung, sich an die Bestimmungen der UN-Behindertenrechtskonvention zu halten. Diese sehe ein Verschlechterungsverbot vor.

Land beschwichtigt

Das Büro von Landesrat Schwaiger beschwichtigt: Es sei nie Ziel gewesen, mit der Novelle die Barrierefreiheit auszuschalten. Bei den Önormen, die mit dem Gesetz nach Verordnung der Landesregierung ausgesetzt werden können, sei auch nie die Barrierefreiheit Thema gewesen, sondern andere preistreibende Bauvorschriften. Diesen Kritikpunkt der Behindertenverbände werde man noch ausräumen können, heißt es zum STANDARD.

Neben den gesenkten Vorgaben im Baurecht kommt mit dem Wohnbaupaket auch das vom Bund vorgegebene Verbot für Ölheizungen für Neubauten, im Bestand müssen Alternativen zumindest geprüft werden. Wohnungen sollen auch oberhalb von Supermärkten oder Betriebsbauten entstehen und das Nachverdichten und Dachbodenausbauen sollen erleichtert werden. Die im Vorjahr von der ÖVP noch geplanten Eingriffe ins Grünland finden sich im jetzigen Paket nicht mehr – mit ein Grund, warum nun auch die Grünen zustimmen.

Ziel runtergeschraubt

Ob die niedrigeren Standards tatsächlich zu mehr Wohnbau führen, wird sich zeigen. Im Vorjahr hat das Land jedenfalls sein selbstgesetztes Ziel, mit der Wohnbauförderung 900 neue geförderte Mietwohnungen zu errichten, runtergeschraubt. Nun liegt das Planziel von Wohnbaulandesrätin Andrea Klambauer (Neos) bei 650 Wohnungen pro Jahr.

Hinzu kommt, dass nicht abgeholte Wohnbaugelder im Landesbudget versickern. Im Vorjahr waren das 40 Millionen Euro. (Stefanie Ruep, 20.5.2021)