Am 13. Jänner sagte Unternehmer Markus Braun (Zweiter von links) vor dem Untersuchungsausschuss aus. Aber nicht die Wahrheit, behaupteten die Grünen, wogegen sich der 47-Jährige gerichtlich zur Wehr setzt.

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Wien – Richterin Nicole Baczak darf sich mit einer möglichen Falschaussage vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss beschäftigen. Es geht allerdings nicht um irgendwelche aktuellen Regierungsmitglieder, sondern um den Investmentunternehmer Markus Braun, dem die Fraktionsführerin der Grünen im Ausschuss, Nina Tomaselli, in einer Presseaussendung vorwarf hatte, bei seiner Befragung nicht die ganze Wahrheit gesagt zu haben – gleichzeitig kündigte sie deshalb eine Anzeige an.

Braun, vertreten von Oliver Scherbaum, hat den grünen Klub im Parlament daher nach dem Medienrecht wegen übler Nachrede angezeigt. "Wie kommen Sie in einen Untersuchungsausschuss?", ist die erste Frage, die Richterin Baczak an den 47-Jährigen hat. "Das frage ich mich auch manchmal", lautet dessen lakonische Antwort. Er habe mit Partnern die Sigma Investment gegründet und nie eine politische Funktion innegehabt.

Unter Türkis-Blau sei er allerdings ORF-Stiftungsrat gewesen – und er habe einen Verein gegründet. Der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hatte im Ibiza-Video damit geprahlt, über Vereine könne man Parteispenden an der Kontrolle des Rechnungshofs vorbeischleusen – auch Brauns Verein geriet da unter Verdacht. "Das Verfahren wurde aber im Herbst 2020 eingestellt", betont der Antragssteller.

Verwandter und Arbeitskollege

"Und Sie sind irgendein Schwager?", vermutet die Richterin noch einen familiären Konnex. "Ja, ich bin mit der Schwester von Peter Sidlo verheiratet und habe mit ihr fünf Kinder. Wir sind seit 20 Jahren zusammen", bestätigt Braun eine Verwandtschaft mit dem FPÖ-nahen ehemaligen Casinos-Austria-Vorstand. Ab 2014 war Sidlo dann auch im Sigma-Dreiervorstand Brauns Kollege.

Die Sigma begleitete die Privatisierung einer österreichischen Bank, an der slowakische Investoren Interesse hatten. Die Grünen hegen den Verdacht, dass davon auch die FPÖ hätte profitieren sollen. Am 13. Jänner wurde Braun im U-Ausschuss also gefragt, ob in den Bankendeal auch FPÖ-Funktionäre involviert gewesen seien. Er verneinte das, 13 Tage später folgte die Presseaussendung der Grünen mit dem Titel: "Tomaselli bringt Sachverhaltsdarstellung wegen falscher Beweisaussage ein".

"Das ist eigentlich eine Gemeinheit", echauffiert sich Braun auch vor Gericht. Denn es bedrohe seine berufliche Existenz – seine Unbescholtenheit sei eine Voraussetzung für die Konzession durch die Finanzmarktaufsicht, wenn diese in Zweifel stehe, könne ihm die Konzession entzogen werden. Außerdem, argumentiert der Antragssteller, habe Tomaselli in der Aussendung Dinge vermischt, verweist er auf die Protokolle der Ausschusssitzung. Er hätte das Missverständnis aufklären können, wenn sich die Fraktionsführerin je an ihn gewandt oder damals konkret gefragt hätte, beteuert er.

Anzeige mit mehrmonatiger Verspätung

Anwalt Scherbaum macht in seinem Eröffnungsplädoyer auf einen weiteren Punkt aufmerksam. In der inkriminierten Presseaussendung stehe auch: "Die Grünen werden die rund 20-seitige Sachverhaltsdarstellung noch diese Woche einbringen." Tatsächlich sei das aber erst vor kurzem passiert, und laut seiner Nachfrage bei der Staatsanwaltschaft Wien werde sein Mandant dort nicht als Beschuldigter geführt. Was Pia Kern, Rechtsvertreterin der Grünen, nicht überrascht: "Die Sachverhaltsdarstellung wurde bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft eingebracht", macht sie ihren Kollegen auf eine Verwechslung der Zuständigkeiten aufmerksam.

Beim Auftritt der Grünen-Nationalratsabgeordneten Tomaselli als Zeugin berichtet Baczak, dass sie in Vorbereitung des Verfahrens wieder etwas gelernt habe. Mandatarinnen haben nämlich vor Gericht ein Entschlagungsrecht, wenn sie sich auf als geheim eingestufte Unterlagen beziehen müssen, die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit bekommen haben.

Das ist aber eine der Säulen, auf die die Politikerin ihre Argumentation stützt, warum die Presseaussendung gerechtfertigt gewesen sei. Es gebe dazu Schriftliches, das sie leider nicht vorlegen könne, da es der Geheimhaltung unterliege. Veröffentlicht wurde Kommunikation zwischen Sidlo und anderen, die die Involvierung der FPÖ-Funktionäre sehr wohl nahelegen würde. Und da Antragssteller Braun nicht nur Sidlos Schwager, sondern auch Vorstandskollege gewesen sei, würde die Lebenserfahrung nahelegen, dass er darüber Bescheid gewusst habe, schlussfolgert sie.

Schriftstücke unterliegen Geheimhaltung

"Aber welches Substrat war denn da? Ich seh es, ehrlich gesagt, auch nicht, oder ich verstehe es nicht", kann die Richterin dennoch nicht nachvollziehen, was Braun konkret falsch ausgesagt haben soll. Denn sein Name komme zumindest in den veröffentlichten Nachrichten nicht vor. Tomaselli verweist auf die geheimen Schriftstücke, über die sie nichts sagen dürfe, und die lebensnahe Betrachtung. "Und warum wurde die Anzeige nicht schon im Jänner, sondern erst jetzt eingebracht?", fragt Baczak auch noch. Die Zeugin argumentiert mit neuen Erkenntnissen und rechtlicher Prüfung.

Der Richterin reicht das nicht. Sie sieht den Wahrheitsbeweis gescheitert und verurteilt den grünen Klub zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 7.000 Euro. Zusätzlich müssen das Urteil in einer Presseaussendung veröffentlicht und die Prozesskosten übernommen werden. Während Braun damit zufrieden ist, gibt Grünen-Anwältin Kern keine Erklärung ab, die Entscheidung ist daher nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 18.5.2021)