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Timur Turlows Geschäft floriert. Forbes schätzt sein Vermögen auf rund 2,1 Milliarden Dollar.

Foto: REUTERS/Maxim Shemetov

Beim nächsten Börsengang von vielversprechenden Unternehmen wie Netflix oder Amazon dabei zu sein, davon träumen in Europa wohl viele Anleger. Denn immer noch ist der US-Markt das Nonplusultra für die Börsianer der Welt. Doch obwohl sich die Zugangsmöglichkeiten in den letzten Jahren verbessert haben, gehen die meisten Europäer bei den IPOs an großen Marktplätzen wie der Nasdaq oder der New York Stock Exchange leer aus.

Das ist nicht unerheblich, wie ein Blick auf das Krisenjahr 2020 zeigt: Während in den USA 480 Unternehmen – ein Allzeithoch – mit einem Emissionsvolumen von sage und schreibe 86 Milliarden Dollar der Sprung aufs Parkett gelang, wagten sich zeitgleich nur zwölf deutsche Unternehmen an die Börse. Erlös: 1,1 Milliarden Euro.

Hilfe naht nun ausgerechnet aus dem Osten: Der russische Online-Broker Freedom Finance (FFIN) verspricht einen direkten Zugang zu Nasdaq und Dow Jones. "Unser Fokus liegt darauf, unseren Klienten Zugang zum US-Markt zu verschaffen – und das war in Russland eine sehr gefragte Kompetenz", erklärt Firmengründer Timur Turlow sein Erfolgsgeheimnis. Innerhalb weniger Jahre wurde aus dem Nischenanbieter eine von internationalen Ratingagenturen anerkannte Investmentgesellschaft, auch wenn Turlow zunächst den Umweg über Kasachstan gehen musste, um sich in Moskau durchzusetzen.

Expansion

Inzwischen ist die Firma in weitere ehemalige Sowjetstaaten expandiert – und darüber hinaus nach Westen. "Wir haben verstanden, dass das Produkt, welches wir in Russland, Kasachstan, der Ukraine und Usbekistan verkaufen, global konkurrenzfähig ist, sodass wir uns entschlossen haben, unsere Kräfte in Europa zu erproben", sagte Turlow dem STANDARD.

Der 33-Jährige ist ein Krisengewinner: Die Aktien seines Unternehmens sind seit Jänner 2020 immerhin auf das Dreifache gestiegen. Heuer ist er erstmals Dollarmilliardär. Forbes führt sein Vermögen mit 2,1 Milliarden Dollar.

An seinem Aufstieg arbeitete Turlow konsequent. Schon während des Studiums arbeitete er als Trader in einer Bank, später machte er sich selbstständig. Und während sich die größeren Mitbewerber auf den heimischen Markt konzentrierten, öffnete er russischen Investoren das Fenster nach Amerika, obwohl Freedom Finance eine Zeitlang auch an der eher illiquiden kasachischen Börse als Marktmacher für Unternehmen tätig war.

Seinen Erfolg am US-Markt erklärt er mit dem Aufbau guter Beziehungen zu den dortigen Investmentbanken, die es Freedom Finance möglich machen, ihren Kunden neben Aktien auch Anleihen und die Beteiligung an Börsengängen anzubieten. Eigenen Angaben nach hat FFIN bisher an rund 130 IPOs partizipiert.

Sprungbrett

Das Europageschäft, für das der Broker seit einigen Jahren eine Lizenz in Zypern besitzt, will Turlow auf den deutschen Markt als Kern fokussieren. 2020 eröffnete die deutsche Tochter von FFIN rund 2000 Konten, heuer hofft Turlow auf immerhin 10.000 bis 15.000 Neukunden, zusätzliche Aktiva von 300 bis 400 Millionen Dollar und zehn bis 15 Millionen Dollar an zusätzlichen Kommissionen. Wobei die Kunden seiner Erfahrung nach auch aus Österreich und der Schweiz kommen.

Um die Vorurteile gegenüber russischen Unternehmen weiß Turlow, zumal FFIN 2020 selbst in einen Datenleak-Skandal verwickelt war, als Hacker ins System eindringen konnten und Scans mit Kundendaten ins Netz legten. "Da haben wir uns blamiert", räumt Turlow ein, versichert aber, die nötigen Konsequenzen daraus gezogen und Millionen in den Bereich Cybersecurity investiert zu haben. Daten europäischer Kunden würden ohnehin auf europäischen Servern gespeichert, fügte er hinzu.

Dass etwaige neue Sanktionsrunden gegen Russland auch die Kunden von FFIN treffen würden, fürchtet er hingegen nicht.

Der Broker sei in den USA registriert und habe keine Verbindungen zum Kreml oder russischen Oligarchen. "Im Gegenteil: Jede neue Sanktionsrunde hat eine neue Welle an Klienten in Russland gebracht", die ihr Geld auf diese Weise absichern wollten, sagt Turlow. (André Ballin aus Moskau, 19.5.2021)