Im Westen hielten sich Regierungen und deren Vertreter vornehm zurück und dachten sich ihren Teil. Doch für Zurückhaltung ist der türkischer Präsident Tayyip Erdoğan nicht bekannt. Er fand bewusst provokante Worte zur israelischen Beflaggung österreichischer Regierungsgebäude. Dass Erdoğan die Öffentlichkeit sucht, verwundert nicht weiter. Schließlich wirbt er damit auch für eine internationale Koalition gegen Israel.

Das Hissen der israelischen Fahne war ein diplomatischer Fehler.
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Verwunderlich ist vielmehr, dass die jetzige Eskalation im Nahen Osten die Europäer offenbar kalt erwischt hat. Eine auf europäischer Ebene konzertierte Friedensinitiative war an der Seite der Trump’schen US-Nahostpolitik nur schwer möglich. Nun ist es allerdings an der Zeit, sich wieder mit den USA zusammenzutun und gemeinsam Druck auf beide Konfliktparteien auszuüben. Das ist sich auch die "geopolitischste aller EU-Kommissionen" schuldig, die bisher sehr ruhig war. Die Chancen für einen Neustart der diplomatischen Bemühungen stehen jedenfalls nicht schlecht mit einem neuen US-Präsidenten und einem möglichen Regierungswechsel in Israel.

Österreich hätte diese Initiative abwarten sollen, anstatt die Reputation von Wien als Sitz internationaler Organisationen und potenzieller Verhandlungsort für internationale Konflikte mit der Beflaggungsaktion aufs Spiel zu setzen. Auch in Abstimmung mit anderen kann man seiner historischen Verantwortung gerecht werden. (Manuela Honsig-Erlenburg, 18.5.2021)