Dominik Wlazny alias Marco Pogo im Wahlkampf ...

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... und bei der Angelobung Ende November in der Simmeringer Bezirksvertretung. Bei der Wien-Wahl erhielt die Bierpartei zwei Prozent der Stimmen.

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Zusammen hätte es knapp für den Einzug in den Wiener Gemeinderat gereicht: Links, SÖZ und die Bierpartei kamen gemeinsam auf 5,6 Prozent der abgegebenen Stimmen. Einzeln ging es sich jedoch für keine der drei Parteien aus – dafür sitzen sie seither in mehreren Bezirksvertretungen. Was machen die "Kleinen" dort? Teil eins der Kleinparteien-Serie: die Bierpartei.

Der Tag bräuchte derzeit mehr als 24 Stunden, meint Marco Pogo, der im echten Leben Dominik Wlazny heißt, die Bierpartei gegründet und als One-Man-Show durch den Wahlkampf geführt hat. Es war nicht das erste Mal. Schon bei der Nationalratswahl 2019 trat der studierte Mediziner mit seinem Projekt an. Damals wählten ihn 0,6 Prozent der Wienerinnen und Wiener. Bei der Gemeinderatswahl im Herbst waren es bereits knapp zwei Prozent – ein voller Erfolg, der Wlazny auch in Personalnotstand brachte: Er hatte nicht genügend Kandidatinnen und Kandidaten, um die errungenen elf Sitze in den Bezirksvertretungen zu besetzen.

Bier, Musik, Politik und Entertainment

Mehr als ein halbes Jahr nach der Wien-Wahl steckt Wlazny mitten im politischen Geschäft. Zwölf Stunden arbeite er jeden Tag, damit er schneller von Termin zu Termin kommt, hat er sich einen E-Scooter zugelegt, mit dem er auch zum Gespräch mit dem STANDARD kommt. "Peinlich, aber praktisch sind die Dinger schon", sagt er. Dabei wendet Wlazny natürlich nicht jeden Tag zwölf Stunden für seinen Posten als Simmeringer Bezirksrat auf. Die Wahl hat nicht nur die Bierpartei bekanntgemacht, sondern auch das dazugehörige Bier, das Wlazny vertreibt. Außerdem widmet er sich noch immer seinem Steckenpferd, der Musik: Dieser Tage erschien ein Live-Album seiner Band Turbobier. Wlazny arbeitete nur zwei Jahre als Arzt, ab 2014 dann als Punkrock-Musiker.

Und seit neuestem gibt Wlazny auch den Entertainer: In seiner Talkshow "Besoffen gesagt" lädt er Personen mit höchst konträren Standpunkten ein, gerne auch "streitbare Leute", sagt er, wie etwa Jennifer Klauninger, eine rechtsextreme Aktivistin, die 2015 noch gemeinsam mit den Identitären marschierte, und eine der prominentesten Corona-Leugnerinnen.

Mit "Ziagl-TV" zieht Wlazny über die sogenannten "Querdenker" her: "Unter Quertrinkern" heißt die satirische Reportage, die sich auf Youtube eine Viertelmillion Menschen angesehen haben und natürlich den Bogen zu Bier schlägt. Die "Quertrinker" wollen gegen das Reinheitsgebot vorgehen. Wlazny gibt im Video den "Lokalexperten" Dr. Christian Prosten. "Diese Doku hat meine Leber verändert", teasert Wlazny den Film auf Twitter an.

Ein gutes Stichwort: Dass Wlazny das Rampenlicht liebt, merkt man auch in den sozialen Netzwerken. Der Erfolg der Bierpartei kann zu einem großen Teil auch den dort von Wlazny geposteten pointierten Kommentaren zum tagespolitischen Geschehen zugeschrieben werden. Auch nach der Wahl mischt sich der Neopolitiker ein – Photoshop und Memes sind seine Waffen.

Aber trotz all den Witzen merkt man natürlich auch, welche gesellschaftspolitischen Themen dem Tausendsassa wichtig sind: Ende Jänner ist Wlazny bei der nächtlichen Demonstration gegen die Abschiebung von Schülerinnen dabei. Weil er dabei erwischt wurde, wie er im Freien urinierte, kassierte er einen Strafzettel – und teilte die Anekdote auf Twitter. Die Wiener Polizei forderte Wlazny in dem Tweet auf, seine 40 Euro an den Verein SOS Mitmensch zu spenden. Eine Idee, die er dann kurzerhand selber umsetzte: Ein schnell auf die Beine gestellter T-Shirt-Verkauf – "Lieber ein warmes Bier als ein kaltes Herz" ist auf schwarze Leiberln gedruckt – brachte knapp 6.000 Euro für die Organisation ein.

Im April startete Wlazny eine Petition für die Umbenennung des Dr.-Karl-Lueger-Platzes: Der Platz solle stattdessen nach dem wenige Wochen vorher verstorbenen Journalisten Hugo Portisch benannt werden, schlug er vor. Schnell waren 500 Unterstützungserklärungen gesammelt. Und wenn das nicht möglich sei, könne er auch mit einem Ute-Bock-Platz leben, sagte Wlazny in der "Krone".

Und die Arbeit in der Simmeringer Bezirksvertretung? Das sei interessant und durchaus überraschend, sagt Wlazny. "Da kocht jeder sein eigenes Süppchen." Was er damit meint: Die Bierpartei brachte im April einen Antrag gegen Abschiebungen von Kindern ein. Im Simmeringer Bezirksrat stimmten alle Parteien zu, sogar der eine Bezirksrat des Team HC Strache, sagt er. In Liesing habe man den Antrag auf Wunsch der SPÖ zurückgezogen und formulierte diesen gemeinsam neu. In Favoriten wurde der Antrag hingegen abgeblockt, weil es keinen Bezirksbezug gibt. "Das unterstreicht, dass der Föderalismus sogar in Wien ziemlich arg ist", sagt Wlazny und lacht.

Keine Radler im öffentlichen Raum

Aber natürlich müssen immer wieder der Bierbezug und ein bisschen Spaß dabei sein. Der Antrag zur Verbannung der Biermischgetränke wurde in Simmering allerdings abgelehnt. "Aber viele Abgeordnete haben sich bemüßigt gefühlt, rauszugehen und etwas dazu zu sagen, das war witzig." Manchmal habe er vor oder nach den Sitzungen auch schon CDs signieren müssen.

Natürlich wisse er, dass Anträge wie der gegen die Abschiebung von Kindern oder für die Verbannung der Biermischgetränke real nichts ändern. Ernster meint Wlazny bzw. seine Partei es mit Anträgen betreffend Informationsveranstaltungen zu Sucht- und Drogenprävention für Jugendliche oder mit der Forderung, Musikräume an Schulen auch außerhalb der Unterrichtszeiten für Schülerinnen und Schüler zu öffnen. Außerdem widmet man sich Verkehrsthemen oder der Forderung, dass Parks an bestimmten Stellen besser bzw. überhaupt beleuchtet werden.

Rauer Wind

Dass Wlazny und die anderen Bier-Bezirksräte auch tatsächliche Anliegen haben und nicht nur Bierbrunnen fordern, würden nicht alle mit Wohlwollen verfolgen: Der Wind sei mittlerweile rauer geworden, sagt Wlazny. "Am Anfang war ich nur der Spaßvogel, jetzt waren ein paar vermeintlich intelligente Sachen dabei. Das finden manche gar nicht so gut, wenn man irgendwo hinzeigt." Den Platz, den jetzt jemand von der Bierpartei in der Bezirksvertretung besetzt, könnte schließlich auch jemand von den Grünen oder von den Neos innehaben. "Den Freiheitlichen haben wir wohl eher keine Wähler abgenommen", sagt der Parteigründer dazu.

Apropos Partei: Noch ist die Unterscheidung zwischen dem, was Wlazny alles so so macht – Talkshow, Bier-Merchandise, Youtube-Spots –, und der Parteiarbeit nicht ganz klar. Aktuell arbeite er daran, alles zu strukturieren, sagt Wlazny. Das Ziel sei, dass die Bierpartei dann auch Mitglieder aufnehmen kann. Fünf Mitarbeiter habe er seit kurzem, damit alles bald auf Schiene sei und er bei seinen vielen Projekten unterstützt wird.

Antreten bei nächster Nationalratswahl fix

Mit den anderen Bier-Bezirksräten, allesamt Freunde von Wlazny, tausche er sich pandemiebedingt derzeit nur virtuell aus, was sich aber hoffentlich bald ändere. Und sollte es tatsächlich zu Neuwahlen kommen, dann wäre die Bierpartei "aber so was von fix am Start", sagt Wlazny. Auch wenn das Sammeln von Unterschriften – für ein österreichweites Antreten sind 2.600 nötig, für Wien 500 – nerve. "Man muss als Satiriker ja derzeit schauen, dass man nicht arbeitslos wird, bei dem, was die ÖVP da vorlegt." (Lara Hagen, 21.5.2021)