Wien – Eigentlich hätte es so ein politischer Wohlfühltermin werden sollen. 13 Uhr, Schweizerhaus im Wiener Prater, Österreich öffnet – die Wirtshäuser, die Gastgärten und mitten drinnen live dabei: die Regierungsspitze. Kanzler, Vizekanzler, Tourismusministerin und Kulturstaatssekretärin gehen Mittagessen, trinken vielleicht auch ein Bier, man lädt Fotografen und Kameraleute dazu. Was soll schon schiefgehen?

Medienauflauf im Wiener Prater.
Foto: Heribert Corn

Um 12.59 Uhr schlendern Sebastian Kurz, Werner Kogler, Elisabeth Köstinger und Andrea Mayer die Straße Richtung Schweizerhaus entlang. "Super, Herr Bundeskanzler", ruft ein Passant. "Waren S' scho' essen?", fragt Kurz am Straßenrand stehende Menschen. Es zwitschern Vögel, im Hintergrund dröhnt aus dem Prater ein Lied von Andreas Gabalier: "Hodi odi je", sogar der angekündigte Regen bleibt aus.

Wer der Regierung "danken" möchte

Die vier Regierungsmitglieder platzieren sich vor den Kameraleuten und Fotografen. Corona-Skeptiker und andere Demonstranten wurden erwartet, einige sind auch gekommen. Sie halten Schilder in die Höhe: "Ich habe Angst vor Lebensmittelknappheit", steht auf dem Plakat eines Klimaaktivisten. FPÖ-Wien-Chef Dominik Nepp hatte über soziale Netzwerke das Termin-Aviso der türkis-grünen Presseaktion geteilt. Beisatz: "Falls jemand Sebastian Kurz und seiner Regierung für Eintrittstests, Maskenpflicht und Dauerlockdown 'danken' möchte. Heute wäre eine gute Gelegenheit dazu!" Etwa zwei Dutzend Polizistinnen und Polizisten sind vor Ort, zusätzlich mehrere Cobra-Beamte in Zivil.

Kurz richtete ein paar Worte an die Medien, es sei ein "Tag der Freude", dann geht es los. Pfiffe, "Pfui" ruft ein junger Mann immer wieder, ein anderer wird von Beamten am Boden fixiert. Der Vizekanzler erzählt derweil, dass ihm die Stelze – das bekannteste Gericht des Schweizerhauses – heute "zu schwer" sei, er werde etwas anderes bestellen. Dann meldet sich eine stadtbekannte Corona-Leugnerin zu Wort, sie und ihr Begleiter hatten sich mit Kamera und Mikrofon in die Medientraube gemischt, Maske tragen sie keine: "Das ist kein Virus, das Menschen tötet. Um was geht es wirklich, Herr Kurz?", will sie wissen.

Die Regierungsspitze nutzte den ersten Tag des Lockdown-Endes für ein öffentlichkeitswirksames Mittagessen im Gastgarten.

Kurz und Kogler verziehen keine Miene

Kurz trägt ruhig bekannte Argumente vor, spricht von der Rückkehr zur Normalität. Das Regierungsteam verzieht keine Miene. Die junge Frau lässt aber nicht locker, stellt immer wieder Fragen zu Grundrechten, dem Virus, das es nicht gebe. Es ist laut, man versteht weder sie noch Kurz und Kogler besonders deutlich. "Alles völlig absurd", sagt ein Fotograf. "Die Verrückte interviewt jetzt den Kanzler."

Am Straßenrand werden die Presseleute der Regierenden sichtbar unruhig. "Was passiert da gerade?" Schließlich unterbricht eine echte Journalistin das Geschehen mit einer Frage zum Ende des Ibiza-U-Ausschusses, das die Grünen gerade besiegelt haben. Wenig später werden Kurz, Kogler, Köstinger und Mayer schleunigst ins Schweizerhaus gebeten. Journalistinnen und Journalisten dürfen nicht mit hinein.

Stelze und vielleicht etwas Vegetarisches

Kaum macht sich die Regierungsspitze auf den Weg durch den Gastgarten, beginnt aber dort ein Schreikonzert, das ist auch vor dem Zaun hörbar: "Kurz muss weg", skandiert eine Gruppe von Menschen, die offenbar bereits zuvor an Tischen Platz genommen haben. Draußen stehen ein paar Demonstranten und stimmen ein, einer trägt ein rotes Trump-Kapperl und ein Tuch mit dem Aufdruck eines rechtsextremen Onlineportals.

Kurz, Köstinger, Kogler und Mayer am Mittagstisch bei Stelze und Kartoffelchips.
Foto: Heribert Corn

Dann wird es ruhig. Ein Kameramann erzählt: Die Regierungsspitze habe sich an einen abgeschiedenen Tisch gesetzt. Es gab Stelze, aber auch "vielleicht vegetarische Laberl". (Katharina Mittelstaedt, 19.5.2021)