Für Bundeskanzler Sebastian Kurz gilt die Unschuldsvermutung.

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Können Politiker und Politikerinnen, die vorsätzlich Falsches sagen, ihres Amts enthoben werden? Oder müssen sie sogar abdanken? Diese theoretischen Fragen wirft die Debatte um eine mögliche Falschaussage von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Ibiza-Untersuchungsausschuss auf.

Für den Kanzler gilt natürlich trotz des Verdachts, dem die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft derzeit nachgeht, die Unschuldsvermutung. Er bestreitet den Vorwurf. Es gibt kein Gesetz, das ihn nur aufgrund des Verdachts oder auch im Fall einer Anklage zum Rücktritt zwingt. Nach einer rechtskräftigen Verurteilung würde es aber eng werden.

Wahrheit ist Pflicht

Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss ist zwar keine Gerichtsverhandlung, dennoch besteht auch hier die Pflicht zur wahrheitsgemäßen Aussage. Und wie das Flunkern vor Gericht kann auch vorsätzliches Lügen oder Verschweigen der Wahrheit im U-Ausschuss mit dem Strafgesetzparagrafen 288 (falsche Beweisaussage) geahndet werden. Der Strafrahmen reicht bis zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Wer unter Eid vorsätzlich lügt, muss sogar mit bis zu fünf Jahren Gefängnis rechnen.

Tatsache ist, dass die grundsätzlichen Bestimmungen für einen Amtsverlust erst vor knapp fünf Jahren vom Parlament verschärft wurden. Demnach wird Politikern und Politikerinnen dann ihr Amt entzogen, wenn sie zu mehr als einem halben Jahr Haft unbedingt oder zu mehr als einem Jahr Haft bedingt verurteilt werden. Bis 2016 galten die doppelten Limits.

Gilt für alle Spitzen des Staates

Diese Regeln gelten ausdrücklich für Parlamentarier, für Regierungsmitglieder, Landeshauptleute, den Bundespräsidenten, den Rechnungshofpräsidenten und die Mitglieder der Volksanwaltschaft.

Darüber hinaus gibt es aber auch Sanktionen im Rahmen der politischen Verantwortung. Eine der häufigsten ist ein Misstrauensvotum im Nationalrat, das praktisch immer von der Opposition beantragt wird und deshalb auch (fast) nie eine Mehrheit erreicht. Eine Ausnahme war das Misstrauensvotum gegen die Übergangsregierung unter Kurz unmittelbar nach Platzen des Ibiza-Skandals, dem die sogenannte Expertenregierung und dann Neuwahlen folgten.

Entlassung ohne besondere Gründe

Rein theoretisch kann auch der Bundespräsident den Kanzler oder auch die ganze Regierung entlassen – und zwar laut Bundesverfassungsgesetz ohne besondere Gründe.

Die strafrechtlichen Limits für einen Amtsverlust gelten auch für alle Beamten. Ein Polizist etwa, der eine härtere Strafe als ein Jahr bedingt ausfasst, muss Dienstausweis und Dienstwaffe für immer abgeben.

Beleidigung kein Hindernis

Ein halbwegs sauberes Hemd brauchen auch Personen, die bei einer Nationalratswahl, Bundespräsidentenwahl, Europawahl oder bei Landtagswahlen antreten wollen. Wieder ist die strafrechtliche Grenze bei einem halben Jahr Haft unbedingt oder einem ganzen Jahr bedingt gezogen. Wer mehr ausgefasst hat, darf in Österreich nicht das passive Wahlrecht ausüben. Bei dem Delikt muss es sich aber um ein Offizialdelikt handeln, also eine strafbare Handlung, die die Staatsanwaltschaft von Amts wegen verfolgen muss. Beleidigung fällt nicht drunter. Wer also wegen Beleidigung verurteilt wurde, darf dennoch in Österreich bei einer politischen Wahl kandidieren. (Michael Simoner, 20.5.2021)