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Der Generationenvertrag ist das Fundament des Sozialsystems. Der demografische Wandel könnte erfordern, ihn neu zu verhandeln.

Foto: AP / Rick Bowmer

Das Jahr 2020 markiert eine Trendwende in Österreich: Die Zahl der Erwerbstätigen begann erstmals zu sinken. Folglich schrumpft jener Anteil der Bevölkerung, der das Sozialsystem maßgeblich finanziert.

Im Verhältnis zu diesem demografischen Mittelbau der 20- bis 60-Jährigen bleibt die Zahl der Jüngeren über die kommenden Jahrzehnte ziemlich konstant, während die Zahl der über 60-Jährigen deutlich zunimmt (siehe Grafik). Darauf ist der Sozialstaat nicht gut vorbereitet, urteilt Bernhard Binder-Hammer, Bevölkerungsökonom am Institut für Demografie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. In einer Analyse im Auftrag des Neos Lab, der pinken Parteiakademie, hat der Experte Vorschläge für einen nachhaltigeren Generationenvertrag entwickelt.

Sozialstaat mit Schlagseite

Charakteristisch für das heutige Sozialsystem seien hohe Abgaben für Erwerbstätige, eine starke Umverteilung zur Bevölkerung im Ruhestand und eine geringere Absicherung der Jungen, fasst Binder-Hammer zusammen. Das zeigen Daten zu Einkommen, Steuern, Konsum und auch unbezahlter Arbeit nach Altersgruppe. Freilich kümmert sich die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter direkt und im Umweg über den Sozialstaat um die Jungen und Alten, also genau, wie es der Generationenvertrag vorsieht.

Auf jede Person im Haupterwerbsalter entfallen 20.000 bis 30.000 Euro pro Jahr an staatlichen Abgaben, allen voran Steuern auf Arbeitseinkommen. Der größte Teil davon fließt an die ältere Generation. Nach dem Pensionsantritt erhält ein Österreicher rund 25.000 Euro im Jahr. Bei Jungen gipfeln Transfers im Teenageralter bei knapp 15.000 Euro.

Ungleiche Krisenfolgen

Wie gerecht ein Sozialsystem ist, hängt nicht nur davon ab, wer wie viel Leistungen erhält, sondern auch davon, wie gut es einzelne Gruppen durch harte Zeiten schaffen. Doch gerade jüngere Menschen litten wirtschaftlich am meisten unter den Folgen der aktuellen Krise.

Das ist kein Sonderfall der Corona-Pandemie. Bereits nach der Finanzkrise 2008 sanken die Einkommen von jungen Menschen im Gegensatz zu jenen anderer Gruppen, wie die Ökonomen Stefan Jestl und Emanuel List vom World Inequality Lab jüngst berechneten.

Wirtschaftsdemograf Hammer-Binder erwartet, dass die Einkommensungleichheit zwischen den Generationen weiter wächst. Die aktuelle Krise verschärfe nur, was der demografische Wandel vorgibt: Der größte Hebel der Umverteilung ist die staatliche Altersvorsorge.

Die Pensionskosten beliefen sich im Jahr 2019 auf rund 56 Milliarden Euro. Das entspricht rund 13 Prozent der heimischen Wirtschaftsleistung. Laut Prognosen des aktuellen Ageing-Reports der EU wächst der Anteil bis 2030 auf 15 Prozent des BIP – größtenteils mit Ausgaben aus der Pensionsversicherung.

Pensionslücke wächst

Doch die laufenden Einnahmen der Kassen reichen nicht aus, um die jetzigen Renten auszuzahlen. Der Bund muss die Lücke füllen, und sie wächst: Zwischen 2019 und 2025 dürfte der Zuschuss aus dem Budget von 21 auf 26 Prozent der Gesamtkosten steigen, wie aus den Zahlen des jüngsten Gutachtens der Alterssicherungskommission hervorgeht. Die Transferleistungen wachsen zugunsten der Älteren.

Um die Zuschüsse aus dem allgemeinen Steuertopf in das Pensionssystem zu beschränken, schlägt Binder-Hammer vor, nur einen Sockelbetrag über das Umlageverfahren zu finanzieren. Somit würden die Renten von Besserverdienern nicht von allen Steuerzahlern subventioniert.

Außerdem könnten die Pensionen an erwartete Beiträge angepasst werden, wie es etwa in Schweden geschieht. Dort sind Erwerbstätige flexibler, wann sie in den Ruhestand treten und wie hoch somit ihre Pension ausfällt. Auch eine allmähliche Anpassung der Pensionen an die Lebenserwartung, wie es in vielen anderen Ländern automatisch geschieht, sei sinnvoll.

Niedriges Antrittsalter

Fest steht, Österreich bleibt laut EU-Ageing-Report trotz vergangener Reformen beim effektiven Pensionsantrittsalter unter den Schlusslichtern in Europa. Demnach würde der durchschnittliche Österreicher noch im Jahr 2050 mit gut 63 Jahren in den Ruhestand treten, während ein Däne dann im Schnitt bis 68 arbeitet.

Die Datenlage ist das eine. Wichtig wäre für Binder-Hammer, Generationengerechtigkeit in Österreich gesetzlich und institutionell zu verankern. "Es ist auch für die ältere Generation von großem Interesse, Sicherheit über die Höhe staatlicher Pensionen und die Organisation der Pflege, die sie in Zukunft brauchen werden, zu haben", sagt Binder-Hammer. (Leopold Stefan, 20.5.2021)