Sieht sich als "positiv gestimmten Spielverderber" – und ist in Sachen Pandemieentwicklung derzeit zuversichtlich: der Mathematiker Nikolas Popper.

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Wien – Mit bundesweit 899 Corona-Neuinfektionen in den vergangenen 24 Stunden wies die epidemische Kurve auch am Mittwoch, dem Tag der ersten größeren Öffnungen nach monatelangen Lockdownmaßnahmen, nach unten. Zwar gab es im Vergleich zum Vortag – da waren 582 Fälle registriert worden – mehr Neumeldungen, doch vor einer Woche hatte es am Mittwoch noch 1.194 Positivtestungen gegeben.

Dieses Minus verringert die Sieben-Tage-Inzidenz. Aktuell beträgt sie in allen Bundesländern weniger als 100, wobei sie in Vorarlberg mit 99,5 am höchsten ist.

"Sehr stabile Entwicklung"

Das alles zeuge von einer "sehr stabilen Entwicklung", sagt der Simulationsforscher der TU Wien und Ersteller von Corona-Prognosen, Nikolas Popper. In den kommenden Wochen könnten die Infektionszahlen zwar öffnungsbedingt langsamer sinken oder auch wieder leicht steigen.

Doch im Juni werde der Effekt der zunehmenden Durchimpfung der Bevölkerung auf die epidemische Entwicklung überhaupt erst stark durchschlagen. Die Zahl von Spitalseinweisungen wegen Covid-19 werde weiter sinken – und damit die Belastung des Gesundheitswesens durch die Seuche.

Starke Saisonalität

Dazu komme eine starke Saisonalität von Sars-CoV-2 in Europa, mit noch unklaren Wirkmechanismen, aber einem eindeutig infektionsverringernden Effekt. "Trotzdem dürfen wir jetzt mit dem Testen und Isolieren, Hygienemaßnahmen und dem Abstandhalten noch nicht nachlassen", sagt Popper.

Denn noch seien die Kinder in den Schulen und Kindergärten nicht geimpft – und werden es, was die unter Zwölfjährigen betrifft, mangels für sie zugelassener Impfstoffe wohl auch bis nach den Schulferien nicht sein. Auch gelte es, das Umsichgreifen von Virusmutanten so weit wie möglich einzugrenzen.

Vernünftig sein

"Wir sollten vernünftig sein", sagt der Experte. Das kollektive Stimmungs-Auf-und-Ab – "vor einigen Wochen die gefühlte Ausweglosigkeit, und jetzt erscheint alles als erledigt" – kennt er gut. Als "positiv gestimmter Spielverderber" wolle er auch jetzt weder die Chancen noch die Risiken außer Acht lassen.

Über den Sommer werde sich wohl ein anderer Umgang mit Corona durchsetzen, meint der Prognostiker: "Die, die sich durch die Impfung schützen wollen, werden dann geschützt sein und so auch andere schützen." Wenn auch die Screenings weiter klappen, werde die Aufmerksamkeit für die Corona-Inzidenzen möglicherweise abnehmen und der Fokus von der Epidemie als solcher zu deren Folgen für das Gesundheitswesen wechseln.

Es gelte, all die versäumten Präventionsmaßnahmen, Impfungen und Operationen durchzuführen: "Das Gesundheitssystem wieder in Normalbetrieb zu bekommen wird eine Herausforderung", sagt er voraus. (Irene Brickner, 20.5.2021)