Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel stellt sich hinter Israel und ist für "indirekte" Gespräche mit der Hamas.

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Auch am Donnerstag gab es wieder zahlreiche Demonstrationen für eine Waffenruhe in Israel und Gaza, unter anderem in Seoul, Südkorea.

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Gaza/New York – Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel hat sich im Nahostkonflikt klar an die Seite Israels gestellt. Es gebe das Selbstverteidigungsrecht Israels, "dazu stehen wir", sagte Merkel am Donnerstag im WDR-Europaforum. "Deshalb ist es richtig, dass sich Israel zur Wehr setzt – und sich massiv zur Wehr setzt", fügte sie hinzu. Zuvor hatte Außenminister Heiko Maas bei einem Besuch in Israel die Solidarität mit der israelischen Regierung bekundet.

Merkel verurteilt antisemitische Vorfälle

Deutschland werde in enger Abstimmung mit den USA, Frankreich und Großbritannien und im EU-Kontext versuchen, auf eine längerfristige Lösung des Konflikts hinzuarbeiten. Es müsse "indirekte Kontakte" zur Hamas geben, etwa über Ägypten oder andere arabische Staaten. "Ohne Hamas gibt es keinen Waffenstillstand", so Merkel.

Zugleich verurteilte die Kanzlerin, die sich zum ersten Mal direkt zur jüngsten Eskalation des Nahostkonflikts äußerte, antisemitische Vorfälle in Deutschland. Man könne die israelische Politik kritisieren, und sie habe dies etwa mit Bezug auf die Siedlungspolitik in den besetzten palästinensischen Gebieten auch getan. Aber wenn es gegen das "Judentum als Ganzes geht, dann gibt es null Toleranz bei uns".

Merkel bedauert Ungarns Entschluss

Merkel äußerte zudem Bedauern, dass Ungarn sich nicht der gemeinsamen Haltung der anderen 26 EU-Staaten angeschlossen habe. Ungarns Regierung hält eine Gleichstellung der Hamas und Israels für inakzeptabel und blockierte deswegen am vergangenen Dienstag in Brüssel eine gemeinsame Erklärung der EU-Außenminister zum Nahostkonflikt. "Der entschiedene Standpunkt der ungarischen Regierung ist es, dass Israel ein Recht auf Selbstverteidigung hat", erklärte der ungarische Kanzleramtsminister Gergely Gulyás dazu am Donnerstag. Ministerpräsident Viktor Orbán pflegt eine strikt loyale Position zur israelischen Regierung und persönlich zu Regierungschef Benjamin Netanjahu. EU-Diplomaten gingen deswegen davon aus, dass Ungarn auch an Israel gerichtete Aufforderungen zu einem Ende der Gewalt nicht mittragen wollte.

Maas zu Gast in Israel

Vor Merkel hatte auch Außenminister Maas klar Position für Israel bezogen. Er bekräftigte bei einem Treffen mit seinem israelischen Amtskollegen Gabi Ashkenazi in Tel Aviv die Solidarität Deutschlands und verteidigte das Recht Israels auf Selbstverteidigung gegen Attacken der radikalislamischen Hamas. Die israelischen Angriffe auf Hamas-Einrichtungen bezeichnete er als verhältnismäßig. Ashkenazi dankte Maas für die Solidarität und Unterstützung. "Das ist für uns sehr wichtig", betonte er.

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Maas will sich in Israel außerdem mit Verteidigungsminister Benny Gantz und Staatspräsident Reuven Rivlin treffen. In Ramallah soll Maas nach Angaben des Auswärtigen Amts mit dem palästinensischen Ministerpräsidenten Mohammad Shtayyeh zusammenkommen. Des weiteren soll in den Palästinensergebieten ein Gespräch mit Präsident Mahmud Abbas auf dem Programm stehen.

Kämpfe gehen weiter

Nach einer kurzen Ruhepause wurde in israelischen Orten an der Grenze zum Gazastreifen am Donnerstag wieder Raketenalarm ausgelöst. Zuvor hatte Israels Luftwaffe in der Nacht erneut Teile des weitläufigen Tunnelsystems der im Gazastreifen herrschenden Hamas bombardiert. Binnen 24 Stunden wurden dutzende Ziele der sogenannten Metro angegriffen.

Die Armee veröffentlichte zudem ein Video zu der weitverzweigten unterirdischen Anlage der Hamas. Nach Angaben der Streitkräfte haben die Islamisten das Tunnelsystem über Jahre aufgebaut. Es habe eine Länge von hunderten Kilometern und werde unter anderem dafür benutzt, innerhalb des Gazastreifens Kämpfer, Munition und Lebensmittel zu bewegen, teils auch mit Fahrzeugen.

Beschossen wurden demnach Knotenpunkte und andere strategisch wichtige Orte des Netzes. Die "Metro" liegt zu großen Teilen unter der Stadt Gaza im Norden des Gazastreifens. Zudem seien im Küstengebiet weitere Ziele beschossen worden: das Haus eines Kommandanten in Khan Yunis, eine Hamas-Waffenfabrik sowie mehrere Raketenabschussrampen.

Über 4000 Raketen auf Israel

Militante Palästinenser haben in den vergangenen eineinhalb Wochen aus dem Gazastreifen nach Angaben der israelischen Armee rund 4.070 Raketen in Richtung Israel abgefeuert. Davon seien etwa 610 noch im Gazastreifen niedergegangen, bevor sie israelisches Gebiet erreichten, teilte das Militär am Donnerstag mit. Das israelische Abwehrsystem Eisenkuppel ("Iron Dome") hat demnach eine Abfangquote von etwa 90 Prozent.

Bei dem seit 10. Mai andauernden gegenseitigen Beschuss starben im Gazastreifen nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums bisher 219 Menschen, rund 1.530 wurden verletzt. In Israel gab es nach offiziellen Angaben zwölf Tote und hunderte Verletzte. Der UN-Sicherheitsrat hat zuletzt am Dienstag in einer nichtöffentlichen Sitzung über den Konflikt beraten. Die Generalversammlung will sich am Donnerstag erneut mit dem Thema befassen.

UN-Menschenrechtsrat tagt

In der kommenden Woche befasst sich auch der UN-Menschenrechtsrat in einer Sondersitzung mit der Situation in den Palästinensergebieten. Pakistanische und palästinensische Vertreter beantragten die Tagung, berichtete ein UN-Sprecher. Die Sitzung soll am Donnerstag stattfinden.

In dem pakistanisch-palästinensischen Antrag ist keine Rede von der Situation in Israel. In der Vergangenheit hatten vor allem die USA kritisiert, dass im Menschenrechtsrat eine Israel-feindliche Stimmung herrsche. UN-Menschenrechtsexperten wiesen diese Woche darauf hin, dass es im derzeitigen Konflikt starke Anzeichen für israelische und palästinensische Kriegsverbrechen gebe, da Zivilisten auf beiden Seiten unter Beschuss sind. (APA, Reuters, dpa, AFP, 20.5.2021)