Lästige Regeln wie die Maskenpflicht könnten Österreich erhalten bleiben: Trotz Impfungen sei die Pandemie noch nicht bewältigt, warnen Wissenschafter.

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Steigende Impfraten, sinkende Infektionszahlen, der nahende Sommer: Im Kampf gegen das Coronavirus stehen die Zeichen günstig. Ist die Pandemie endlich überwunden?

Ein Team von Forschern aus verschiedenen EU-Staaten dämpft den Optimismus. Selbst bei optimistischen Annahmen kommen die Experten in Modellrechnungen zum Schluss, dass die Pandemie trotz Impfungen wiederaufleben werde. Dies werde von Neuem Restriktionen im Alltag notwendig machen, heißt es in der Untersuchung, die vorerst als noch nicht begutachtetes Preprint veröffentlicht wurde. Je nach Annahme müssten die sozialen Kontakte um 29 bis 69 Prozent reduziert werden.

Impfung wirkt bei chronisch Kranken schlecht

"Die Pandemie ist noch nicht bewältigt", sagt Thomas Czypionka vom österreichischen Institut für Höhere Studien (IHS), der an dem Papier mitgeschrieben hat. "Es wird im Herbst und Winter eine weitere Welle geben." Die Wissenschafter erklären dies mit den Lücken in der Immunisierung der Bevölkerung: Ein Teil lässt sich gar nicht impfen, bei einem anderen wirkten die Vakzine nur begrenzt. Letzteres gelte vor allem für chronisch kranke Menschen, von denen es in Österreich 2,8 Millionen gibt, erläutert Czypionka, so etwa für Tumorpatienten oder Menschen nach Nierentransplantationen: "Bei manchen funktioniert der Schutz durch die Impfung nicht gut genug."

Dass die Corona-Impfstoffe genauso wie Vakzine gegen andere Krankheiten keinen hundertprozentigen Schutz bieten, zeigt auch der Nebenwirkungsbericht des Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG). Demnach wurden bei Vollimmunisierten bisher 80 Covid-Fälle gemeldet, 20 davon verliefen schwer. Acht Betroffene, überwiegend alte Menschen, starben. Eine Person war in Lebensgefahr, elf landeten im Spital.

Zur Einordnung: Derzeit haben 1,16 Millionen Menschen in Österreich den vollständigen Impfschutz. Folglich kommt auf 14.500 vollimmunisierte Personen ein Impfdurchbruch. Gezählt werden aber nur Menschen mit Symptomen. Eine Infektion ohne erkennbare Erkrankung gilt nicht als Durchbruch.

Intensivstationen wieder am Anschlag

Um zu verhindern, dass das Virus in anfälligen Gruppen um sich greift, werde mit Anbruch der kälteren Jahreszeit kein Weg an allgemeinen Einschränkungen – auch für geimpfte Menschen – vorbeiführen: "Es wird notwendig sein, die Freiheit wieder ein Stück zu nehmen." Czypionka denkt da etwa an die Begrenzung von Massenveranstaltungen und die wohlbekannte FFP2-Masken-Pflicht, sofern diese im Sommer fallen sollte. Überdies sollten die Tests aufrechterhalten bleiben – weniger in Form der Eintrittstests als für permanentes Screening.

Wird sich das Virus tatsächlich wieder so stark ausbreiten, dass dies nötig ist? Die Welle im Herbst werde kleiner ausfallen als die bisherigen, prognostiziert Czypionka, doch eines dürfe nicht übersehen werden: Anders als im letzten Winter drohten sich zu Covid die Grippewelle und andere Atemwegserkrankungen zu gesellen. Ohne Gegenmaßnahmen könnten die Intensivstationen deshalb wieder an die Grenze der Belastbarkeit geraten, warnt der Experte: "Ich fürchte allerdings, dass das Verständnis der Bevölkerung für neuerliche Restriktionen äußerst begrenzt sein wird." (Gerald John, 21.5.2021)