Die Mehrheit der Kakaobauern lebt unter der Armutsgrenze. Große Rohstoffhändler hebelten die jüngsten Preisaufschläge in Afrika durch niedrigere Einkaufspreise wieder aus.

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Wien – Österreichs Konsumenten verhalfen im Corona-Jahr nicht nur biologischen und regionalen Lebensmitteln zu einem Aufschwung. Der Boom der Supermärkte belebte auch den fairen Handel. Trotz geschlossener Gastronomie stieg der Umsatz mit Fairtrade-Produkten 2020, von Kaffee über Bananen bis zu Rosen, Reis und Baumwolle, um elf Prozent auf 390 Millionen Euro. Der Markt für Kakao wuchs hierzulande um mehr als die Hälfte auf 5.300 Tonnen. Kleinbauernfamilien in Asien, Afrika und Lateinamerika erhielten in Summe Direkteinnahmen von rund 63 Millionen Dollar, zieht Fairtrade-Österreich-Chef Hartwig Kirner Bilanz.

Süßwarenkonzerne wie Manner bauten den nachhaltigen Einkauf aus. Jetzt stellt auch Ölz als erste Backwarenmarke weltweit die gesamte Produktion auf fairen Kakaohandel um. Zehn Millionen Produkte werden dieses Siegel bis Ende August nach mehrmonatiger Umstellung jährlich tragen.

Ziel sei es, kleinbäuerliche Strukturen nicht nur im Bregenzerwald, sondern auch in Ländern wie Ghana und der Elfenbeinküste zu fördern, sagt Florian Ölz, der das Dornbirner Familienunternehmen gemeinsam mit zwei Brüdern führt. Wirtschaftliche Existenzberechtigung hätten künftig nur jene Betriebe, die in vielen Bereichen nachhaltig agierten.

Florian Ölz: "Ziel ist es, kleinbäuerliche Strukturen nicht nur im Bregenzerwald, sondern auch in Ländern wie Ghana und der Elfenbeinküste zu fördern."
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Die Mehrheit der Kakaobauern weltweit lebt unter der Armutsgrenze. Ghana und die Elfenbeinküste als größte Anbaugebiete einigten sich im Vorjahr zwar auf einen Preisaufschlag von 400 Dollar je Tonne, um die Not zu lindern. Große Rohstoffhändler hebelten den Mehrpreis jedoch durch niedrigere Einkaufspreise wieder aus. "Wenige Händler dominieren das Geschäft. Sie sind für die Marktbedingungen verantwortlich" sagt Kirner. "Was hier passierte, ist ein unwürdiges Spiel auf dem Rücken der Produzenten."

Ölz hat für Fairtrade in Österreich Gewicht. Der Konzern steigerte den Umsatz im Vorjahr um knapp mehr als fünf Prozent auf 217 Millionen Euro. 44 Prozent der Produktion gehen in den Export. 592 der 945 Mitarbeiter sind in Vorarlberg beschäftigt. Kein einziger wurde seit dem Beginn der Pandemie in Kurzarbeit geschickt. Ölz ist mit seinen Backwaren weniger in der Gastronomie als im Lebensmittelhandel vertreten. Gekauft wurde während der zahlreichen Lockdowns viel auf Vorrat. Lang haltbare Toasts und Sandwichbrote gingen weg wie warme Semmeln.

Turbulente Rohstoffmärkte

Die künftigen Mehrkosten für Kakao spielten angesichts der aktuellen Turbulenzen auf den Rohstoffmärkten eine untergeordnete Rolle, sagt Florian Ölz im Gespräch mit dem STANDARD. "Ob Weizen, Rapsöl oder Verpackungen – die internationalen Märkte spielen verrückt." Preistreiber im Agrargeschäft seien vor allem Futtermittel und der subventionierte Biosprit aus Getreide. Auch die enorme Nachfrage aus Asien verknappe das Angebot.

Ölz betont die Bedeutung regionalen Einkaufs. So beziehe sein Unternehmen etwa ein Drittel der Butter aus dem Bregenzerwald. Wobei sich regional aus seiner Sicht nicht zwangsläufig auf Herkunft aus Österreich reduziert. Äpfel lieferten Betriebe rund um den Bodensee. Mehl hole er aus Süddeutschland. Dieses mit Blick auf die Transportwege nicht aus Ostösterreich herbeikarren zu lassen sage einem der Hausverstand.

Hartwig Kirner: "Viele greifen zu höherwertigen Lebensmitteln. Dieser Trend ist nicht mehr rückgängig zu machen."
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Bei Freilandeiern stoße die Industrie an ihre Grenzen, sagt Ölz. "Wir können unseren Bedarf an Eiern nicht in Österreich allein decken." Bevor Produzenten zum Zug kämen, gehe der Großteil in den Lebensmittelhandel. Generell sehe er sich selbst als Vorarlberger, aber auch als Europäer. "In der EU gibt es wunderbare Lieferanten, die Österreich bei der Qualität ihrer Lebensmittel um nichts nachstehen."

Umstrittene Frage nach der Herkunft

Ein Verfechter einer verpflichtenden Herkunftskennzeichnung ist Ölz nicht. Klar hätten Konsumenten das Recht, zu erfahren, woher ihre Lebensmittel stammen. Bei aller Liebe zu österreichischen Rohstoffen müsse dies aber auch wirtschaftlich Sinn machen. Kein leichtes Unterfangen sei es auch, auf kleinen Verpackungen jedes einzelne Land, in dem eine Zutat erzeugt werde, in vernünftiger Schriftgröße ablesbar zu machen.

In den Diskont will der Backwarenriese mit seiner Marke Ölz nach wie vor nicht. Wären neben der Versorgung der Supermärkte eigene Filialen reizvoll? Ölz winkt ab. "Wir haben unser Spielfeld gefunden. Aber sag niemals nie. Vielleicht eröffnen wir einmal ein nettes Café."

Gastronomen nachlässig

Stärkt die Wiedereröffnung der Gastronomie in Österreich dieser Tage Fairtrade den Rücken? Nachhaltigkeit sei für viele in der Branche bisher zweitrangig gewesen, sagt Kirner. Auch heuer hätten die meisten Wirte andere Sorgen. Dass fairer Einkauf eine Chance sei, sich von Konkurrenten zu differenzieren, sei jedoch unbestritten – ebenso, dass seit der Krise mehr Konsumenten denn je Wert auf regional, bio und Fairtrade legen. "Viele greifen zu höherwertigen Lebensmitteln. Dieser Trend ist nicht mehr rückgängig zu machen." (Verena Kainrath, 21. 5.2021)