Überambitioniert und äußert problematisch: So beschrieb die Wirtschaftskammer in einer internen "Analyse" den Entwurf des Klimaschutzgesetzes, DER STANDARD berichtete. Zuvor hatte WKO-Generalsekretär Karlheinz Kopf einen darin beschriebenen Besteuerungsmechanismus als "ideologiegetriebene Bestrafungsfantasie" tituliert. Die Anmerkungen sorgen für dicke Luft nicht nur zwischen Grünen und WKO, sondern auch innerhalb der Koalition. Immerhin vertritt Kopf die ÖVP im Nationalrat; Harald Mahrer sitzt bekanntlich nicht nur an der Spitze der Kammer, sondern auch an jener des ÖVP-Wirtschaftsbundes.

Die interne WKO-Position stimmt jedenfalls nicht mit dem überein, was die Volkspartei nach außen trägt: Im Umweltausschuss hat die ÖVP geschlossen – und damit auch Kopf – für den Antrag zum Klimavolksbegehren gestimmt. Einige darin genannte Punkte finden sich beinahe wortident in jenem Gesetzesentwurf wieder, den die WKO nun heftig kritisiert.

An der von Fridays for Future organisierten Demo beteiligten sich auch einige Unternehmer.
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Beide Texte beinhalten etwa die Einrichtung eines Klima-Bürgerrats. Im internen WKO-Papier wird dieses Gremium als "demokratiepolitischer Systembruch" abgetan. Die ÖVP stimmte auch für die gesetzliche Verankerung eines Paris-kompatiblen Treibhausgasbudgets. Im Kammer-Schreiben wird die geplante Emissionsreduktion deutlich abgelehnt.

Dissens auch beim Plastikpfand

Es ist nicht das erste Mal, dass sich die grünen Pläne und jene der WKO spießen. Auch beim Plastikpfand herrschte Dissens. Die Grünen wollten es wie auch eine Mehrwegquote und eine Herstellerabgabe umsetzen; die ÖVP wollte die EU-Plastikabgabe aus dem Budget berappen. Wirtschaftsvertreter kritisierten die grünen Pläne scharf. Die Mehrwegquote soll nun kommen, das Pfand vorerst nicht.

"Wir werden uns im Klimaschutz nicht von altem Denken und Zögern bremsen lassen", kommentierte die grüne Klimaschutzministerin Leonore Gewessler die jüngsten Aussagen der Kammer. "Wir haben jetzt die Möglichkeit, die richtigen, klimafreundlichen Weichen für die Zukunft zu stellen, und genau daran arbeiten wir."

Lenore Gewessler will sich "nicht von altem Denken und Zögern bremsen lassen", sagte sie in Richtung Wirtschaftskammer.
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Tatsächlich dürften die Gespräche zur Ökosteuerreform trotz der Zwischenrufe aus der Kammer voranschreiten, wie zu hören ist. Die Volkspartei spiele aber auf Zeit, sagt man bei den Grünen: Vor der Landtagswahl in Oberösterreich im September wollen sich die Türkisen offenbar in Sachen CO2-Bepreisung und Co nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.

Die WKO-Aussagen zum Klimaschutz sorgen in Teilen der Opposition jedenfalls für Kritik. Die Neos haben bereits im März einen Entschließungsantrag betreffend "Behinderung der Energiewende durch die WKO" eingebracht. Darin wurde die Kammer als einer der "größten Verhinderer ambitionierter Klimapolitik" beschrieben. In dem Papier wird das Wirtschaftsministerium aufgefordert, das Kammergesetz anzupassen, sodass die WKO durch ihre Tätigkeit die Erreichung der Klimaziele nicht weiter behindere.

Der Antrag im Wirtschaftsausschuss wurde vertagt; die Pinken wollen ihn im Herbst daher im Umweltausschuss erneut einbringen.

Ärger im Unternehmertum

Kritik der Pinken kam auch daran, dass Unternehmer "mit ihren Zwangsgebühren diese klimaschädliche Lobbyingarbeit der Kammern finanzieren müssen". Dieser Aspekt verärgert tatsächlich einige Wirtschaftstreibende: Seit der Veröffentlichung der WKO-Analyse kam es zu Demonstrationen vor mehreren Sitzen der Wirtschaftskammer.

Befeuert wurde die Debatte von der Grünen Wirtschaft, die zum Beitragsboykott aufrief. Der Verband riet Unternehmern, die mit dem WKO-Klimakurs unzufrieden sind, die Grundumlage als Bescheid einzufordern. Das sei notwendig, um vor Gericht allenfalls Beschwerde einzulegen. Alternativ könne im Zuge der Bescheidanforderung ein Vorbehalt formuliert werden. Bei der Grünen Wirtschaft seien dem Aufruf nach ihren Angaben "massige Rückmeldungen" gefolgt. Der Verband hat zudem einen Antrag im Wirtschaftsparlament eingebracht. Mit ihm wollen sie durchsetzen, dass sich die WKO zu den Klimazielen der Regierung bekennt.

Noch keine Einigung

Und wie stehen die ÖVP-Ressorts der ÖVP zu dem Gesetzesentwurf? Im Finanzministerium wollte man sich auf Nachfrage nicht dazu äußern und verwies auf das Klimaministerium. Der dort ansässige ÖVP-Staatssekretär Magnus Brunner kommentierte den Entwurf folgendermaßen: "Das Ziel eint uns, der beste Weg dorthin – noch – nicht."

"Das Regierungsprogramm bildet die Richtschnur für das Klimaschutzgesetz, dazu stehen wir natürlich", sagt ÖVP-Staatssekretär Magnus Brunner.
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Er selbst sei in die Erstellung nicht eingebunden gewesen, das Papier werde nun geprüft. "Das Regierungsprogramm bildet die Richtschnur für das Klimaschutzgesetz, dazu stehen wir natürlich." Wichtig sei ihm, dass die Maßnahmen gesamthaft betrachtet würden und niemals auf Kosten des ländlichen Raums, der Pendler oder arbeitender und einkommensschwacher Menschen gingen. Zudem dürfe das Gesetz die Wirtschaft nicht "über Gebühr belasten". (Nora Laufer, 21.5.2021)