Für Brasiliens Präsident Jair Messias Bolsonaro bedeutet es weiteres Ungemach: Seine Beliebtheitswerte sind auf den tiefsten Stand seit seinem Amtsantritt Anfang 2019 gefallen. Das Land ist vom Missmanagement der Corona-Pandemie durch die Regierung schwer getroffen worden, ein Untersuchungsausschuss beleuchtet die Vorgänge der vergangenen Monate. Nun wird Bolsonaros Regierung von einem Korruptionsskandal um Umweltminister Ricardo de Aquino Salles schwer erschüttert. Doch noch stärkt der Präsident seinem Minister den Rücken.

Bereits seit Jänner ermittelt die Polizei in der Operação Akuanduba wegen illegaler Holzexporte nach Europa und in die USA. Zu den Vorwürfen gehören Korruption und Schmuggel. Am Mittwoch schließlich schlugen die Ermittler zu und führten mit 160 Polizisten Razzien in mehreren Bundesstaaten durch, unter anderem auch im Haus Salles'. Sowohl in der Hauptstadt Brasília im Distrito Federal als auch in São Paulo und in Pará wurden bei insgesamt 35 Durchsuchungen Unterlagen beschlagnahmt. Der Höchstrichter Alexandre de Moraes des Supremo Tribunal Federal ließ zehn hohe Beamte des Umweltministeriums und der Umweltbehörde Ibama suspendieren, darunter auch den Ibama-Direktor Eduardo Fortunato Bim. Zusätzlich kassierte er eine Verordnung des Ibama aus dem Vorjahr, mit der der Holzexport genehmigungsfrei ermöglicht wurde.

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Höchstrichter Alexandre de Moraes ließ mehrere Spitzenbeamte suspendieren.
Foto: Reuters/Marcelino

"Filiale des Holzhandels"

Das Ibama (Instituto Brasileiro do Meio Ambiente e dos Recursos Naturais Renováveis, "Brasilianisches Institut für Umwelt und erneuerbare natürliche Ressourcen") ist zwar die Bundes-Umweltbehörde Brasiliens und als solche für den Schutz des Regenwaldes zuständig, gilt aber auch seit jeher als korrupte Schaltstelle im illegalen Holzhandel. Der damalige Umweltminister José Lutzenberger bezeichnete das Ibama bereits 1992 als "Filiale der Holzhandels". Der ehemalige Umweltaktivist und Right-Livelihood-Preisträger wurde daraufhin seines Amtes in der Regierung des Präsidenten Fernando Collor de Mello enthoben. Im April 2019 genehmigte das Ibama umstrittene Ölbohrungen in den Korallenriffen der Inselgruppe der Abrolhos vor der Küste des Bundesstaats Bahia, was scharfe Kritik auslöste.

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Beschlagnahmte Holzstämme mit Transportschiffen lagern bei einer Anlegestelle nahe einer Polizeistation in Manaus im Bundesstaat Amazonas.
Foto: Reuters/Kelly

Moraes verfügte auch, dass in Bezug auf Salles das Steuer- und Bankgeheimnis aufgehoben wird und Einsicht in die Konten des Ministers genommen wird. Salles selbst bezeichnete die Razzien als "übertrieben und unnötig". Die Entwicklung habe ihn überrascht, er sei stets zur Stelle gewesen, um Probleme zu klären. Seit ihrem antritt Anfang 2019 habe die Regierung "stets mit gesundem Menschenverstand und unter Achtung der Gesetze und der ordentlichen Rechtsverfahren gehandelt".

Gesetzesänderungen im Fahrwasser der Corona-Pandemie

Vor einem Jahr erklärte Salles bei einer Regierungssitzung, man solle die Pandemie nutzen, um die Umweltschutzbestimmungen für den Amazonas aufzuheben. Solange die Medien mit Corona beschäftigt seien, habe man die Gelegenheit, die Regeln zu ändern und die Vorschriften zu vereinfachen, ohne mit Protesten rechnen zu müssen.

BBC News Brasil

"Umweltschiiten"

Bolsonaro erklärte nach den Razzien öffentlich, Salles sei ein "außergewöhnlicher Minister". Er habe Schwierigkeiten mit "Umweltschiiten" der Generalstaatsanwaltschaft.

Umweltminister Ricardo Salles mit Präsident Jair Bolsonaro beim Marsch der christlichen Familie für Freiheit in Brasília.
Foto: EPA/Alves

Vizepräsident warnt vor Vorverurteilungen

Brasiliens Vizepräsident Hamilton Martins Mourão erklärte am Donnerstag, Moraes müssen "starke Beweise" gesehen haben, um die Razzien in der Operação Akuanduba zu genehmigen. Mourão warnte vor Vorverurteilungen. Die Entscheidung, ob nun der Umweltminister ausgetauscht werden müsste, sieht der Ex-General bei Bolsonaro: "Der Minister hat mit dem Präsidenten gesprochen, der Präsident muss die von ihm vorgebrachten Gründe berücksichtigt haben und wartet nun darauf, dass die Untersuchung fortgesetzt wird."

Mourão ist auch Präsident des Anfang 2020 von Bolsonaro gegründeten Nationalen Amazonasrats (Conselho Nacional da Amazônia, Cnal). In dieser Funktion ist der Vizepräsident selbst indirekt von der Operação Akuanduba betroffen. Der Amazonasrat arbeitet mit dem Umweltministerium zusammen, um illegale Rodungen am Amazonas zu bekämpfen.

Ricardo Salles und Jair Bolsonaro reiten Seite an Seite vor dem Sitz des Supremo Tribunal Federal in Brasília.

Ermittlungen aus dem Ausland angestoßen

Die Untersuchungen in der Causa Operação Akuanduba wurden eingeleitet, nachdem ausländische Behörden Informationen über Verstöße brasilianischer Beamter beim Holzexport gemeldet hatten. Mourão spekulierte darüber, dass sich ein in Brasilien geschäftlich tätiges US-amerikanisches Unternehmen mit einer Beschwerde über Unregelmäßigkeiten an die Ermittler in Brasilien gewandt habe.

Von der Militärpolizei beschlagnahmtes Holz im Rio Manacapuru im Bundesstaat Amazonas im vergangenen Juli.
Foto: AFP/Oliveira

Großflächige Zerstörungen

Unter der Regierung Bolsonaros hat die Zerstörung des brasilianischen Regenwaldes Fahrt aufgenommen. Nicht nur die illegale Abholzung ist ein Problem. Gewaltige Waldbrände – oft genug durch Brandrodungen zur Ackerlandgewinnung ausgelöst – haben in den vergangenen zwei Jahren große Gebiete zerstört.

Erst am vergangenen Donnerstag hat die brasilianische Abgeordnetenkammer einen Gesetzesentwurf verabschiedet, der die Umweltauflagen für Landwirtschafts- und Energieunternehmen flexibler gestalten soll. Umweltschützer befürchten als Folge eine Beschleunigung der Abholzung des Regenwaldes.

Akuanduba ruft mit seiner Flöte zur Ordnung

Akuanduba ist der Name einer Gottheit aus der Mythologie der Arara-Indigenen am Rio Iriri im Bundesstaat Pará. Der Gott der Harmonie lässt im Fall eines Verstoßes gegen die Regeln eine kleine Flöte ertönen, um die Ordnung wiederherzustellen. Die Legende besagt, dass es am Anfang der Welt nur Himmel und Wasser gab, die von einer dünnen Schicht getrennt wurden. Darauf lebten die Menschen als Sterne. Sie waren nur mit Essen, Trinken, Schlafen und Sex beschäftigt, bei Unstimmigkeiten spielte Akuanduba seine Flöte und ließ die Ruhe wieder einkehren.

Doch eines Tages kam es zu einem Kampf, den Akuanduba mit seinem Flötenspiel nicht besänftigen konnte. Bei dem Kampf brach die dünne Trennschicht zum Himmel, und die Menschen stürzten in das von bösen Wesen bevölkerte Wasser und ertranken, nur wenige überlebten. Einige wurden von Ara-Papageien wieder in den Himmel zurückgebracht, andere lebten fortan auf den Resten der zerbrochenen Himmelsschale und wurden so zum Volk der Arara. Die bösen Wasserwesen verwandelten sich in andere, den Araras feindlich gesinnte Indio-Stämme. Akuanduba wiederum verwandelte sich in den Jaguar. Das Faultier half den Menschen und brachte ihnen bei, wie man aus Pflanzenfasern und Stroh Geflechte webt, Flöten baut und singt. Dem Otter stahlen die Araras das Feuer. (Michael Vosatka, 21.5.2021)