Das Gehirn hat sein eigenes Müllentsorgungssystem. Mit zunehmendem Alter und bei Schlafmangel arbeitet dieses System schlechter.

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Ebenso wie Schlafmangel das Demenzrisiko erhöhen könnte, wäre es ja auch möglich, dass zur Demenz führende Veränderungen den Schlaf verkürzen. Wer war zuerst da, die Henne oder das Ei?

Diese Fragestellung war Gegenstand einer kürzlich in "Nature Communications" veröffentlichten Studie von Epidemiologen der französischen Forschungsorganisation Inserm sowie des University College in London. Die Forscher nutzten die Daten von 7.959 Teilnehmern der bekannten Whitehall-II-Studie.

Die Probanden waren britische Beamte, die zwischen 1985 und 2016 insgesamt sechsmal Angaben zu ihrer Schlafdauer machten. Die Studiendauer betrug folglich 25 Jahre, und bei Studienbeginn waren die Probanden 50 Jahre alt. Bis zum Studienende wurde bei 521 Personen im durchschnittlichen Alter von 77 Jahren eine Demenzerkrankung diagnostiziert. Gehirnveränderungen, wie etwa Proteinablagerungen bei Alzheimer, beginnen, etwa 15 bis 20 Jahre bevor demenztypische Symptome wie Gedächtnisprobleme und Denkstörungen auftreten.

Psychische Probleme haben Auswirkungen auf Schlaf

Da die Studiendauer 25 Jahre beträgt, könnte der fünf bis zehn Jahre davor aufgetretene Schlafmangel eine Demenz fördern. Die Daten depressiver Probanden wurden nicht in die Untersuchung zum Einfluss des Schlafmangels auf Demenz einbezogen. Depressionen gelten als Risikofaktor für Demenz, und wie die Erstautorin der Studie, die Epidemiologin Séverine Sabia von Inserm, sagt, "psychische Probleme sind stark mit Schlafstörungen verknüpft".

Es zeigte sich, dass jene Probanden, die berichteten, im Alter von 50, 60 Jahren sechs Stunden oder weniger pro Nacht geschlafen zu haben, ein höheres Demenzrisiko hatten als Probanden mit der als normal definierten Schlafdauer von sieben Stunden. Um genau zu sein: Eine beständig zu kurze Schlafdauer im Alter von 50, 60, 70 Jahren war im Vergleich zu einer stets normalen Schlafdauer mit einem um 30 Prozent erhöhten Demenzrisiko assoziiert, und zwar bereinigt um soziodemografische Faktoren, Rauchen, Alkoholkonsum, Body-Mass-Index, den Grad körperlicher Aktivität, den Konsum von Früchten und Gemüse, Ausbildungsniveau, Familienstand und Erkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes und Herzgefäßerkrankungen.

30 Prozent Risikoerhöhung sind nun nicht so gravierend, können aber in Kombination mit anderen Risikofaktoren mehr als genug sein. Einem möglichen Schwachpunkt der Studie gingen die Wissenschafter selbst nach: Die Angaben zu Schlaflänge machten die Studienteilnehmer selbst. Subjektive Angaben können aber fehlerbehaftet sein. Zur Kontrolle wurde deshalb einmal die Schlafdauer bei nicht ganz 4.000 Probanden objektiv erfasst. Da sich die subjektiven und die objektiven Angaben deckten, erhöht dies das Vertrauen in die Daten.

Eine weitere aktuelle US-Studie kam übrigens zu einem ähnlichen Ergebnis wie die des französisch-britischen Epidemiologenteams. In der US-Studie waren fünf Stunden Nachtschlaf und weniger mit einem doppelt so hohen Demenzrisiko verbunden.

Gehirneigene Müllabfuhr verantwortlich

Doch wie könnte eine zu kurze Schlafdauer die Entwicklung einer Demenz fördern? Die wahrscheinliche Antwort ist, dass die gehirneigene Müllabfuhr eine Rolle spielt. Unser Denkorgan verbraucht etwa 20 Prozent der gesamten Körperenergie. Dabei fällt eine beträchtliche Menge an überflüssigem oder gar schädlichem Abfall an: Reste untergegangener Zellen, Proteinabfälle und vieles mehr, was mitunter für die Nervenzellen giftig ist. Manche Proteine wie Amyloid-Eiweiße verklumpen und können so langfristig zu einer verminderten Denk- und Gedächtnisleistung führen. Der Müll muss also raus aus dem Hirn.

Das Wie ist seit etwa acht Jahren geklärt. Da fand man heraus: Das Gehirn hat sein eigenes ausgeklügeltes Müllentsorgungssystem, das glymphatische System. Es ist ein Netzwerk aus feinsten Röhren, die die Blutgefäße im Gehirn – Arterien und Venen – umgeben.

Der Entsorgungsprozess läuft nachts im Tiefschlaf ab. Dann vergrößern sich beim Menschen die Zwischenräume zwischen den Zellen im Gehirn. Das Hirnwasser kann hindurchfließen und den Müll mit sich hinwegspülen. Mit zunehmendem Alter und bei Schlafmangel sowie oberflächlichem Schlaf arbeitet dieses System der Müllentsorgung allerdings schlechter.

Wie kommt man zu gutem Schlaf?

Normal lang und vor allem tief zu schlafen ist folglich wichtig, aber wie schafft man das? Möglichst nicht mit Schlaftabletten. Wer an einer Schlafstörung oder an Schlafapnoe leidet, sollte einen Experten aufsuchen.

Für alle anderen gilt: Eine gute Schlafhygiene ist wichtig, und dazu gehört z. B. abends kein Alkohol und vier bis acht Stunden vorm Zubettgehen kein Koffein, den mittäglichen Power-Nap auf 30 Minuten begrenzen, regelmäßige Schlafzeiten einhalten, Abendessen zumindest drei Stunden vorm Schlafengehen, Telefone und Computer aus dem Schlafzimmer verbannen, Vorhänge ganz zuziehen, damit es im Schlafzimmer möglichst lange dunkel bleibt. Vorm Schlafen noch Musik hören soll sich laut aktuellen Studienergebnissen bei älteren Menschen auch positiv auf den Schlaf auswirken. (Gerlinde Felix, 24.5.2021)