Die Wiener Künstlerin Barbara Höller arbeitet, kocht, isst, schläft und bügelt in einer selbst umgebauten Wohnung in Margareten. Perfektion widerstrebt ihr, und die Tätigkeit des Wohnens ist ihr schleierhaft.

"Schade, dass ihr nicht eine halbe Stunde früher gekommen seid. Bis zum frühen Nachmittag fällt die Sonne dermaßen prächtig in den Raum, da tun sich grandiose Himmelsszenarien auf! Jetzt ist die Sonne weg, aber die Wohnung ist immer noch schön, halt ohne Licht-und-Schatten-Spiel.

Barbara Höller in ihrer "sehr lauf- und bewegungsfreundlichen" Wohnung im 5. Bezirk.
Foto: Lisi Specht

Als wir die Wohnung vor mehr als 20 Jahren gefunden haben, waren hier überall Wände und kleine Kammerln. Es war zum Schreien. Typisch Sechzigerjahre! Wir haben einen Teil der Wände ratzeputz entfernt und große, lichtdurchflutete Räume geschaffen.

Die Wohnung hat circa 110 Quadratmeter. Gefunden haben wir sie über eine Annonce. Eine extrem günstige Eigentumswohnung, und dennoch haben wir damals einen Kredit aufnehmen müssen. Die Reaktion von Freundinnen und Bekannten – aber auch von der Bank – war enden wollend euphorisch. ,In dieser Gegend! Seids ihr wahnsinnig! Das ist doch keine Wertanlage!‘ Und heute? Wir wohnen in der Margaretenstraße, und ich persönlich finde ja, dass dieses Grätzel zu den schönsten, gemütlichsten und aufregendsten Ecken Wiens zählt.

Was ich besonders schätze, ist die Höhenlage. Wir sind genau auf Höhe der Dächerlandschaft. Das heißt: Macht man sich klein, sieht man Fassaden, Dachflächen und viele hell beleuchtete Fenster überall. Macht man sich aber groß, dann schaut man hinauf in den Himmel, und dabei wird der Kopf ganz frei. Man sieht nichts mehr, was einen stört, was einen beeinflusst, und so fließt die Realität in eine Art Unendlichkeit hinaus. Es ist eine Weite und Offenheit für Neues.

Nach dem Kauf haben Barbara Höller und ihr Mann Konrad Rautter, ein Architekt, die zuvor sehr kleinteilige Wohnung zu einer Art Loft umgebaut.
Fotos: Lisi Specht

Das schlägt sich in gewisser Weise auch im Grundriss nieder. Die Räume sind groß und auch ein bisschen unendlich, aber dafür sind auch die Wege unendlich lang. Man muss viel gehen, um von A nach B zu kommen, weil die Türen und Kaminmauern so blöd liegen. Mein Mann Konrad Rautter ist Architekt, und er hat hier großartige Arbeit geleistet. Das Ziel war eine Art Loft. Aber wir waren an ein paar statische, konstruktive Grenzen gebunden, und so ist die Wohnung irgendwie sehr lauf- und bewegungsfördernd – was ja per se nichts Schlechtes ist.

Auch wenn wir beide uns mit Gestaltung im weitesten Sinne beschäftigen, so schaffen wir vor allem Strukturen. Die sollen schön sein. Mit der Einrichtung haben wir’s nicht so. Jahr für Jahr nehmen wir uns vor, den echt schiachen Boden zu erneuern, und Jahr für Jahr schieben wir das Projekt aufs nächste Jahr hinaus. Oder die Lampen: Wir kaufen eine echt passable Lampe für den Esstisch, doch dann ist das Herumbohren in der Betondecke dermaßen anstrengend und langwierig, dass da jetzt immer noch die Kabel frei herumhängen.

Couch gibt es in der Wohnung bis heute keine. "Ich wüsste nicht, wozu", sagt Barbara Höller. "Für Knotzen haben wir keine Zeit."
Fotos: Lisi Specht

Auf diese Weise leben wir umgeben von lauter Provisorien, die eigentlich alles andere als perfekt sind, aber trotzdem ihren Zweck erfüllen. Perfektion macht mir ja sowieso Angst. Wenn alles perfekt ist, dann ist auch alles fad, dann ist kein Widerstand mehr da, und dann wird es uninteressant.

Was außer uns hingegen alle anderen eigenartig finden, ist die Tatsache, dass wir trotz der großen Wohnung keine Couch haben. Aber ich wüsste nicht, wozu! Zum Knotzen, sagen alle. Aber was soll das sein? Wir arbeiten gern und lang, und wenn wir nach Hause kommen, wollen wir kochen, essen, bissl reden, und danach fallen wir tot ins Bett. Für Knotzen haben wir nicht nur keinen Ort, sondern auch keine Zeit.

Und überhaupt … Was ist Wohnen? Jedes Mal, wenn ich über Wohnen nachdenke, werde ich ganz nervös, weil ich bis heute nicht weiß, was das bedeuten soll. Ich kann zwar kochen, essen, lesen, arbeiten, bügeln, abwaschen, nachdenken, schlafen, fernschauen, Radio hören und neugierig sein … Aber ich weigere mich zu wohnen. Das ist mir irgendwie zu blöd. Das kann ich nicht, und das will ich auch nicht können." (25.5.2021)