"Das Gaudenzdorfer" soll dem Meidlinger Bezirksteil wieder zu mehr Sichtbarkeit verhelfen.

Foto: RES

Wie die Fassade des 1907 erbauten Gründerzeithauses am Gaudenzdorfer Gürtel 47 ursprünglich ausgeschaut hat, wusste irgendwann niemand mehr. Es wurde im zweiten Weltkrieg beschädigt. Und von Sanierung zu Sanierung kamen dem Gebäude, das der jüdische Architekt Ignaz Reiser geplant hatte, mehr Verzierungen abhanden. Die Abgase der Autos taten im Laufe der Jahre ihr Übriges. "Das Haus hatte keine Energie mehr und war tot", sagt der heutige Eigentümer Klaus Pfoser, Geschäftsführer der RES Immobilienverwaltung. Irgendwann, vermutet er, wäre das Haus wohl wie so viele andere Gründerzeithäuser abgerissen wroden.

Dabei war das Haus einst für das Großbürgertum errichtet worden – und hatte in seiner Geschichte berühmte Bewohner: Hier wohnte einst Otto Glöckel, sozialdemokratischer Politiker und Schulreformer. Viel, viel später wuchs da, wo sich heute Büroräumlichkeiten befinden, dann auch Georg Danzer auf, der dem Gaudenzdorfer Gürtel 47 sogar ein Lied widmete.

Ein Schwarz-Weiß-Foto

Klaus Pfoser beschloss vor einigen Jahren, das Haus, soweit es geht, in seinen Ursprungszustand zurückzuführen, auch um dem in Vergessenheit geratenen Architekten ein Denkmal zu setzen. Aber wie sah das Haus ursprünglich aus? Pfoser begab sich auf Spurensuche. Ein Restaurator fand schließlich ein sieben mal zehn Zentimeter großes Schwarz-Weiß-Foto des Hauses in der Nationalbibliothek.

Dann taten sich weitere Rätsel auf: So entdeckte Pfoser auf der ursprünglichen Fassade zwei Damenköpfe mit Zöpfen, die irgendwann verschwunden waren. Erst vermutete man, dass es sich um germanische Heldengöttinnen handelte – aber von einem jüdischen Architekten? Des Rätsels Lösung: Die Damen trugen sogenannte phrygische Mützen, wie man sie aus der Antike kennt.

Aus dem Schwarz-Weiß-Foto ließ sich zudem nicht ableiten, welche Farbe die Fassade einst gehabt hatte. "Sie war vermutlich rot", sagt Pfoser und zeigt eine Visualisierung her. Letztendlich entschied man sich für Blau. Die Ornamente auf der Fassade wurden also wiederhergestellt, ein baufälliger Balkon neu errichtet. Die Plastikfenster mussten Kastenfenstern weichen.

Identität für Bezirksteil

Eine Änderung gibt es: Dort, wo früher der Name des Hausbesitzers "Josef Weisz" an der Fassade prangte, steht heute "Das Gaudenzdorfer". Damit soll einem Meidlinger Viertel eine neue Identität gegeben werden, hofft Pfoser. Im Haus untergebracht sind neben Büros zwei Einheiten, in denen noch Altmieter wohnen, sowie zehn gewerbliche Wohnungen, die mit Jugendstil-Möbeln ausgestattet werden. Sie sollen ab Herbst an Gäste vermietet werden. Im Souterrain ist außerdem eine Jugendstil-Bar geplant.

Die Wohnungen regulär zu vermieten, habe sich angesichts der gedeckelten Mieten im Altbau nicht ausgezahlt, sagt Pfoser. Die Nachfrage direkt am Gürtel sei auch verhalten. Dass direkt vor seinem Haus heute auf sechs Spuren Autos vorbeidonnern, damit hatte Architekt Ignaz Reiser aber auch nicht rechnen können. (Franziska Zoidl, 28.5.2021)