Der schnelle Schubs ins Homeoffice, der Zwang zu Remote Work hat schnell digitale Anwendungskompetenzen verlangt. Aber wie läuft das genau? Fallen die digitalen Werkzeuge aus der IT-Abteilung und müssen dann von allen Beschäftigten aufgeklaubt werden? Wie geht es den Beschäftigten damit in Unternehmen – und wie können Organisationen überhaupt feststellen, wen sie im Digitalisierungsprozess auf der Strecke lassen?

Die Arbeiterkammer hat Anfang des Vorjahres ein Forschungsprojekt mit der Fragestellung, wie Digitalisierung partizipativ, gendergerecht und divers gelingen kann, beauftragt. Nadja Bergmann (L&R Sozialforschung) und Anke Schneider (AIT) haben dazu in der ÖBB, an der TU Wien und in der Container-Tochter des Hafen Wien (WienCont) bei Beschäftigtengruppen nachgeforscht, die üblicherweise ungehört bleiben, etwa in Sekretariaten, bei Staplerfahrern, im Kundendienst. Kommen die Leute mit der Digitalisierung zurecht?

Ein ganzes Set an Methoden – vom niederschwelligen Workshop bis zum Homeoffice-Tagebuch – kam zum Einsatz, und die Lockdowns lieferten durch erzwungene Digitalisierung vieler Abläufe und die Notwendigkeit neuer IT-Anwendungen quasi über Nacht reichlich Material. Für das Stammgeschäft der Personalentwicklungsabteilungen – gut durchgeplante Schulungen – gab es in den meisten Firmen keine Möglichkeit. Eher haben Mitarbeiter informell von Mitarbeitern gelernt.

Wie lauten also die Empfehlungen für Unternehmen, die dringend vermeiden wollen, dass ihr Geschäft gefährdet ist, weil es kundenseitig nicht funktioniert, weil Teile ihrer Belegschaften tricksen müssen oder die neuen Tools zwar für die IT-Abteilung funktionieren, nicht aber in der praktischen Funktionalität, um den Job gut zu erfüllen?

IT-Abteilungen sind überwiegend mit Männern besetzt – das Thema Genderdiversität ist also ein brennendes.
Foto: imago images/Cavan Images

Die Gräben der Fachsprache

Übliche Usability-Testungen führten, sagt Anke Schneider, jedenfalls nicht zu den gewünschten Informationen. Auch hier stehe ein Sprachproblem dazwischen: Die Sprache der IT-Fachleute werde von den anderen Abteilungen meistens nicht verstanden – der zentrale Punkt in offenbar den meisten Organisationen. "Man fühlt sich dumm", lautet etwa ein Zitat einer Mitarbeiterin aus den drei untersuchten Unternehmen, man traue sich gar nicht nachzufragen, weil man die Antwort eh nicht verstehe. "Wenn sich der Programmierer einmal in den Stapler setzt und dann in seine Abteilung zurückgeht, dann hat er verstanden, was gebraucht wird", erklärt Harald Jony, Geschäftsführer der WienCont. Weil Programmierer aber nicht dauernd in der Organisation herumgehen sollen, sondern eben programmieren, hat die WienCont ein Dolmetschersystem eingeführt. Jony: "So richten wir jetzt auch unsere Personalstrategie aus – mit Brückenbauern aus den Fachbereichen in das Development."

"In niederschwellig aufgesetzten Workshops erfährt man am meisten", sagt Nadja Bergmann. Schnell, schnell geht es also nicht mit Erkenntnissen über den tatsächlichen internen Digitalisierungsgrad. Die TU Wien arbeitet von einem eigenen Digital Office aus mit Multiplikatorinnen, die jeweils in den Fachbereichen sitzen. Hildegard Cimzar-Egger: "Auch Wissenschafter sind nicht immer geborene IT-Spezialisten."

IT-Abteilungen sind überwiegend mit Männern besetzt – das Thema Genderdiversität ist also ein brennendes. Um allerdings Gender-Stereotype nicht zu bedienen, wurde nicht in Männer- und Frauengruppen geforscht, sondern in Beschäftigtengruppen, etwa Karenzierte. Damit, so die Forscherinnen, lasse sich vermeiden, dass "Die Frauen haben’s wieder nicht verstanden"-Mythen etabliert werden.

Was bringt’s für mich?

Grundsätzlich, so Bergmann, sei der Nutzen neuer digitaler Werkzeuge für die Beschäftigten in den Fokus der Fragestellung zu rücken. Dann findet auch eine positive Auseinandersetzung statt. Für Traude Kogoj, die Diversitätsmanagerin der ÖBB, die gerade an einer Volldigitalisierung der sogenannten Costumer Journey arbeiten, geht es um mehr: "Ermächtigung" aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sagt sie, müsse das Ziel einer Digitalisierung sein. Nicht nur eine Anwendung in der Arbeitsaufgabe. Digitalisierung bedeutet ja immerhin auch, dass künftig viel mehr über digitale Plattformen gelernt wird und mehr Selbstorganisation in der Wissensaneignung gefordert ist. (Karin Bauer, 24.5.2021)