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Prinzessin Dianas Interview sorgt nach über 25 Jahren für Aufsehen.

Foto: Reuters / Ian Waldie

Ein zukünftiger König, die personifizierte Zukunft der Monarchie, greift frontal die BBC, eine andere britische Ikone, an? Das gab es bisher noch nie. Bis Donnerstagabend. Da trat Prinz William (38) in weißem Hemd und dunkelblauem Sommeranzug vor die Kameras und verlas eine gut zweiminütige Erklärung, die kein gutes Haar ließ am berühmtesten öffentlich-rechtlichen Sender der Welt.

Brutale Zitate

Die Rede war von "Lügen" und "gefälschten Dokumenten", von "reißerischen und falschen Anschuldigungen"; von "elender Inkompetenz" und schließlich, besonders verheerend, von einem "Cover-up". Das Verhalten von Reportern und Verantwortlichen der BBC habe zur "Furcht, Paranoia und Isolation" seiner Mutter, Prinzessin Diana, beigetragen – und damit, so legte es der Prinz nahe, zu ihrem Unfalltod in Paris im August 1997.

Viele der brutalen Formulierungen des zornigen Prinzen waren ihrerseits lediglich Zitate. Sie stehen in einem Bericht über einen der berühmtesten Momente der jüngsten Fernsehgeschichte. Auf 127 Seiten hat darin der pensionierte Höchstrichter Lord John Dyson analysiert, wie es im November 1995 zu einem Interview zwischen Prinzessin Diana und dem jungen BBC-Reporter Martin Bashir kam.

"Drei in einer Ehe"

23 Millionen Briten lauschten den Enthüllungen der selbsternannten "Königin der Herzen": Die damals 34-Jährige gab mehrere Affären zu, outete sich als Bulimie-Kranke und plauderte über den Thronfolger, Williams Vater Charles, und dessen Beziehung zu Camilla Parker-Bowles: "Es gab drei in dieser Ehe, da wurde es ein bisschen eng." Kurz darauf befahl die Queen den verfeindeten Rosenkriegern die Scheidung.

Die anderen Medien interessierte damals vor allem: Wie konnte ein unbekannter BBC-Reporter den sensationellen Scoop landen, hinter dem alle Sender her waren? Lord Dysons Antwort fällt eindeutig aus: Mit Lügen und gefälschten Kontoauszügen hatte sich Bashir ins Vertrauen von Dianas jüngerem Bruder Charles Spencer geschlichen. Der Graf arrangierte ein Treffen des Reporters mit Diana, die sich von Feinden umstellt sah. Das Gefühl schürte Bashir nach Kräften, belastete nicht zuletzt den langjährigen Privatsekretär der Prinzessin. Wenig später wurde Patrick Jephson vom Hof gejagt.

Ramponiertes Image

Kaum besser erging es Bashir-Kritikern bei der BBC. Eine interne Untersuchung beim Sender, der stets seine journalistische Integrität betont, zielte erkennbar darauf ab, interne und externe Zweifler zum Schweigen zu bringen. Bashir, der gegen alle journalistischen und ethischen Standards verstoßen hatte, sei "ehrlich und ehrenwert", behauptete der damalige Nachrichtenchef Tony Hall im Rundfunkrat.

Beide machten später glänzende Karrieren: Bashir verdiente in Amerika Millionen, ehe er 2016 zur BBC zurückkehrte. Vergangene Woche reichte er "krankheitsbedingt" die Kündigung ein. Untersuchungsführer Hall war bis 2020 sieben Jahre lang BBC-Intendant. Er habe seine Verantwortung "in gutem Glauben" wahrgenommen, entschuldigt sich Hall. Bashir gibt sich weiterhin "enorm stolz" auf das Interview.

Hat sich also die Unternehmenskultur erhalten, die damals "ein bisschen klang wie bei der Mafia", wie im Nachhinein eine damalige Abteilungsleiterin einräumt? Diesen Verdacht muss Halls Nachfolger Tim Davie aus der Welt schaffen. Devot entschuldigte sich der BBC-Intendant bei den Royals und versicherte: "Die heutige BBC hat erheblich bessere Abläufe und Verfahren."

Neue Aufsichtsgremien angedacht

Ob das reicht? Williams Erklärung klang ebenso unversöhnlich wie die seines jüngeren Bruders Harry, der von Kalifornien aus eine Medienkultur der "Ausbeutung und unethischen Praktiken" anprangerte. Die konservative Regierung von Premier Boris Johnson erwägt neue Aufsichtsgremien für den Giganten, den die Briten regelmäßig als verlässlichste Informationsquelle bezeichnen.

Die Lügen und Vertuschungen des Reporters Bashir und seiner Vorgesetzten haben das Bild der toten Prinzessin als verfolgte Unschuld genährt. Dabei war Diana damals fest entschlossen, ihre Wahrheit der Öffentlichkeit zu präsentieren – nicht zuletzt, um bei der Scheidung gute Konditionen herauszuholen.

Statt Bashir hätte sie vielleicht besser – wie kürzlich ihr Sohn Harry – Oprah Winfrey ihr Herz ausgeschüttet. Geschwiegen jedenfalls, wie es sich ihre Söhne bis heute zu wünschen scheinen, hätte die selbstbewusste Frau gewiss nicht. (Sebastian Borger aus London, 21.5.2021)