Daniel Barenboim vertieft sich kämpferisch und auch lyrisch in Beethovens Klavierkosmos.

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Wien – Der rastlose Universalkünstler war in der ersten Krisenphase der Pandemie zugegen, als es galt, orchestral Edles nach dem "Erlebnis" des ersten Lockdowns zu erwecken. Daniel Barenboim dirigierte die Philharmoniker vor damals erlaubten hundert Besuchern. Sonderbare Atmosphäre im Musikverein.

Irgendwie passend, dass er nun – in den ersten Tagen der Öffnung des Konzertlebens – wieder anreiste, um als Solist seinen Zyklus aller Klaviersonaten Beethovens zu starten. Wie so oft ist bei Barenboim auch hier zu spüren, welche Herausforderung das "Neue Testament" der Klavierliteratur darstellt. Einiges muss da unter Opferung von Klarheit erkämpft werden.

Kunst der Kontraste

Barenboims Konzept lebt allerdings von gestalterisch durchdachten Kontrasten, die tendenziell romantisch eingerahmt wirken. "Raketenläufe" landen im zarten Pianissimo (1. Satz, Sonate A-Dur, op. 2/2.); Spieldosenflair wechselt mit dramatischen Wucherungen, die ins Herbe gleiten.

Dabei berückt der dramaturgische Überblick der "Erzählung" wie dann vor allem auch die Ausgestaltung intimer, poetisch angelegter Passagen. Das wirkt bisweilen, als würde Barenboim bei lyrisch-friedvollen, gesanglichen Momenten in Erinnerungen an eine verlorene Kindheitsidylle schwelgen (etwa Adagio der Sonate f-Moll op. 2/1).

Manches klingt in akkordische Parfums getaucht, manches vernebelt. Aber ästhetisch konsequent und voller Innenspannung war der Abend, dem nur eine von Barenboim vorgeschlagene fünfminütige Pause gegönnt war., auf die er die Sonate Es-Dur op.7 folgen ließ. (Ljubisa Tosic, 22.5.2021)