Gold gilt als Schutz vor Inflation und profitiert von der Erwartung steigender Verbraucherpreise.

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Die Zeit nach dem Rekordhoch im August des Vorjahres war für Goldbesitzer keine erfreuliche. Während Aktien und vor allem Kryptowährungen wie Bitcoin, der ja auch als digitales Gold gehandelt wird, laufend neue Kursrekorde erzielten, war bei dem Edelmetall die Luft draußen. Es folgte eine zermürbende Kurskorrektur, die aber nun, nachdem regelmäßig neue Sorgen vor einer ansteigenden Inflation aufgekommen waren, offenbar ein Ende gefunden hat. Seit Ende März geht es mit dem Goldpreis wieder aufwärts, während Bitcoin derzeit strauchelt.

Aber sind die Ängste vor höheren Inflationsraten, die an den Finanzmärkten umgehen, tatsächlich berechtigt? Ein erster Schock war der 4,2-prozentige Anstieg der Verbraucherpreise in den USA im April im Jahresvergleich – immerhin der höchste Monatswert seit 2009. Die US-Notenbank Fed wird nicht müde, den Anstieg als vorübergehend und damit weitgehend ungefährlich zu deklarieren. Zumal sie schon zuvor angekündigt hatte, ein vorübergehendes Überschießen des Inflationsziels von zwei Prozent zulassen zu wollen.

Davon abweichend hatte sich zuletzt aber Robert Kaplan, Chef des regionalen Fed-Ablegers in Dallas, geäußert: Er ortet ein Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt sowie bei manchen Gütern. Halte dies länger an, könnten auch die Inflationserwartungen weiter ansteigen. "Das ist der Teil, der mir Sorgen macht", sagte Kaplan vergangenen Freitag. "Das stellt aus meiner Sicht ein Risiko dar."

Hohe Inflationserwartung

Dabei haben seine Mitbürger den Braten ohnedies schon gerochen. Laut Umfragedaten der Universität Michigan gehen sie für heuer im Mittel von einer Inflation von 4,6 Prozent aus, der höchste Erwartungswert seit mehr als zehn Jahren. Ihnen ist die Kostenexplosion etwa bei Baustoffen wie Holz nicht entgangen. Aber auch für die Folgejahre erwarten US-Bürger eine Teuerung über der Drei-Prozent-Marke – und damit auch deutlich über dem Zielwert der Fed.

Die allgemein stark steigenden Rohstoffpreise sind für den Goldexperten Ronald Stöferle vom in Liechtenstein ansässigen Investmenthaus Incrementum nur ein Mosaikstein eines Gesamtbilds, das nach dauerhaft höherer Inflation aussieht. Wegen zehn Jahre lang tendenziell fallender Preise sei kaum in den Rohstoffsektor investiert worden, sodass nun eine Angebotsverknappung herrsche, sagt Stöferle mit Blick auf das Infrastrukturpaket von US-Präsident Joe Biden. Dazu kommt auch noch ein billionenschweres Konjunkturpaket.

Als "monetären Klimawandel" interpretiert der Goldexperte die Ausgabenfreudigkeit der Regierungen in der Corona-Krise. "Der Staat gefällt sich in der Rolle des Big Spender", betont Stöferle. Diese fiskalpolitischen Stimuli fließen direkt in die Realwirtschaft und wirken sich auf die Verbraucherpreise wesentlich stärker aus als die Billionen der Notenbanken, die vor allem an den Finanzmärkten die Vermögenspreise nach oben treiben.

Krisenverhalten endet

Zudem erwartet Stöferle, dass Verbraucher ihr Krisenverhalten abschütteln und wieder kräftig konsumieren werden, was die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes erhöht. Zudem sei die Globalisierung auf dem Rückzug, wobei die Öffnung Chinas und Osteuropas mit ihren billigen Arbeitskräften stark deflationär gewirkt habe – eine Entwicklung, die für Stöferle nun "weitgehend zu Ende ist".

Ganz im Gegenteil, die Alterung westlicher Gesellschaften werde zu einer Verknappung des Arbeitsangebots führen, womit der Grundstein für eine Lohn-Preis-Spirale gelegt wäre, die schon in den 1970er-Jahren für eine Phase hoher Inflation sorgte. Den oft beklagten Fachkräftemangel legt Stöferle als Vorbote dieser Entwicklung aus.

Wenn im Lauf des Jahrzehnts die geburtenstarken und wohlhabenden Baby-Boomer in Pension gehen, werden diese an den Finanzmärkten von Sparern zu Entsparern. Soll heißen, sie werden ihre kapitalgedeckte Vorsorge in der Realwirtschaft verkonsumieren – was Inflation begünstigt.

"Das ist nicht vorübergehend", sagt Stöferle über die Inflationserwartungen der Notenbanken. "Es haben sich einige Dinge geändert." Dennoch erwartet er wegen der hohen Verschuldung der Staaten nicht, dass die Währungshüter entschlossen gegen Inflation vorgehen werden, auch wenn sie länger über deren Zielvorgaben liegen werden. Was bedeutet dies für Gold, wohin kann die Reise im weiteren Jahresverlauf gehen? "Es ist ein sehr gutes Umfeld für den Goldpreis", sagt Stöferle. "Ich kann mir vorstellen, dass es heuer noch ein Allzeithoch gibt." (Alexander Hahn, 20.5.2021)