Ein traumschöner Anfang eines Ballettabends mit Jerome Robbins’ "Glass Pieces": im Bild Nina Polakova und Roman Lazik.

Foto: The Robbins Rights Trusts

Los geht es jetzt auch für das Wiener Staatsballett. Die Compagnie feiert ihre Rückkehr auf den Tanzboden der Staatsoper mit dem vierteiligen Ballettabend A Suiteof Dances. Ballettchef Martin Schläpfer, der seit Beginn der aktuellen Spielzeit im Amt ist, konnte zwar vergangenen Dezember die Uraufführung seines Stücks Mahler, Live zeigen, leider aber nicht vor Live-Publikum.

Richtig durchstarten wird er zwar erst in der kommenden Saison. Trotzdem ist A Suite of Dances aber nicht nur eine Probe für den Ernstfall. Der Abend zeigt noch deutlicher als Mahler, Live eine veränderte Compagnie. Die für Schläpfers Vorgänger Manuel Legris charakteristische russisch-französische Linie ist durch einen schmiegsameren amerikanischen Duktus ersetzt worden.

Kein Wunder, möchte man meinen, schließlich enthält der Abend auch ausschließlich US-amerikanische Werke, die mit dem New Yorker Jean-Pierre Frolich und dem Belgier Ben Huys, der unter anderem Solist beim New York City Ballet war, neu einstudiert wurden. Auf jeden Fall wird es spannend sein zu beobachten, wie sich die in Training und Körperausdruck gewandelte Wiener Compagnie bewährt.

Raffinierte Kombination der Stücke

Deren Tänzerinnen und Tänzer zeigen sich jetzt bei A Suite of Dances in Form und bringen die raffinierte Kombination der Stücke gut über die Bühne. Was mit den Glass Pieces des Choreografie-Stars Jerome Robbins – richtig, das ist der Choreograf des Musicalhits West Side Story – beginnt, endet auch mit Robbins: The Concert (Untertitel: The Perils of Everybody). Anfang: traumschön. Ende: brutal komisch.

Dazwischen sind zwei kleine Stücke gesetzt: Erst Balanchines Duo Concertant mit einem Tanzpaar, das mit einem live auf der Bühne spielenden Musikerduo – Pianistin und Violinist – performt. Darauf folgt Robbins’ A Suite of Dances, von dem der Abend seinen Titel hat, mit Davide Dato als Tanzsolist und der Cellistin Ditta Rohmann. Die Musikerin und der Tänzer erweisen sich als stimmiges Paar, weil Rohmann nicht nur eine begnadete Bach-Interpretin ist, sondern auch eine charismatische Performerin.

Man könnte sagen, das Balanchine-Stück führt aus den abstrakten Glass Pieces hinaus, und Robbins’ A Suite of Dances mit dem sich teils harlekinhaft aufführenden Dato in dessen The Concert hinein. Wichtig ist das weniger, weil in den beiden Mittelstücken die Musik vom Graben auf die Bühne übersiedelt, sondern wegen der brandaktuellen Geschichte, die der Abend erzählt.

Deftige Karikatur

Die Komik in Jerome Robbins’ The Concert (1956) mit seinem auf "Jedermanns Gefährlichkeiten" verweisenden Untertitel zielt auf die amerikanische Gesellschaft der 1950er-Jahre: Das ergibt eine deftige Karikatur der Geschlechterverhältnisse von damals. Ergo war es eine gute Idee, diesem Stück ein jüngeres von demselben Choreografen – A Suite of Dances ist 1994 entstanden – voranzustellen, in dem die Frau (Rohmann) dem Mann (Dato) vorgeigt, wer hier die Musik spielt.

Erst da wird deutlich, wie ausgewogen die Verhältnisse zwischen Frauen und Männern zu Beginn bei den Glass Pieces (1983) und bei dem darauffolgenden Duo Concertant (1972) komponiert sind. Fazit: ein gelungener Abend. (Helmut Ploebst, 22.5.2021)