Pandemiebedingt trifft man sich beim nachmittäglichen Zoom-Meeting. Dieter Siegel ist trotz Blaulicht-Business nicht im Alarmmodus und nimmt entspannt vor dem Bildschirm Platz. Im Hintergrund "lauert" der Panther – das markante Flughafen-Löschfahrzeug von Rosenbauer.

STANDARD: Welchen Berufswunsch hatten Sie eigentlich als Kind – Feuerwehrmann?

Siegel: Es war definitiv nicht Feuerwehrmann. Auch nicht Lokomotivführer. Aber ich erinnere mich an einen Berufswunsch, der sich jedoch in meinem weiteren Leben nicht weiter verfestigt hat: Ich wollte Rennfahrer werden.

STANDARD: Wann war es für Sie klar, dass Sie sich doch dem Feuerwehrgeschäft zuwenden und in das Familienunternehmen einsteigen?

Siegel: Das war ein sich langsam entwickelnder Prozess. Ich habe eigentlich sehr lange das Gefühl gehabt, man sollte Beruf und Privates trennen. Ich hatte lange das Gefühl, dass ich lieber auf meinen eigenen Beinen stehe. Lange gab es, ausgegeben von meinem Vorgänger, den Grundsatz, dass man nicht gleichzeitig externes Management einkaufen und dennoch alle Führungspositionen aus der Familie besetzen könne. Letztlich gäbe es für den Mehrheitseigentümer und die Familie nur einen freien Platz: Und der ist möglichst an der Spitze, die notwendige Erfahrung und das Aktionärsvertrauen vorausgesetzt.

Dieter Siegel fordert mehr Wertschätzung für das Ehrenamt. Mit der von ihm ins Leben gerufenen "Zivilschutzagenda Österreich" sollen die Rahmenbedingungen für Freiwillige optimiert werden.
Foto: Robert Newald

STANDARD: Eine Position, die Sie offensichtlich dann doch irgendwann einmal gereizt hat, oder?

Siegel: Man hat mich mit 37 Jahren gefragt, ob ich in den Aufsichtsrat gehen möchte. Das hat sich durchaus interessant angehört. Dann hat sich irgendwann einmal herauskristallisiert, dass der Weg in Richtung Unternehmensspitze durchaus gewünscht ist.

STANDARD: Ganz so harmonisch war ja Ihr Start an der Konzernspitze nicht. Da hat es im Familiengebälk schon ordentlich geknistert. Man hat Ihnen einen zu harten neuen Kurs vorgeworfen, auch auf umfangreiche Personalrochaden reagierte man hörbar verschnupft. Muss man in Familienunternehmen öfter Brände löschen?

Siegel: Ich würde das so nicht unterschreiben. Ich habe einfach einen moderneren Weg mit, aus meiner Sicht, deutlich offeneren, weniger patriarchalischen Strukturen eingeschlagen. Es hat ich aber herausgestellt, dass wir 2016/2017 an einen Punkt angekommen waren, wo man gemerkt hat, es muss jetzt auch im Topmanagement ein Richtungswechsel her. Das war auch mit personellen Konsequenzen verbunden. Aber man muss tun, was gut für Organisation, nicht was angenehm ist.

STANDARD: Als Weltmarktführer bei Löschfahrzeugen hat Rosenbauer auch im Corona-Jahr 2020 einen Rekordumsatz sowie mehr Gewinn gemacht. Der Umsatz lag im Vorjahr erstmals über einer Milliarde Euro. Warum ist man ein Krisengewinner – weil es auch in Pandemiezeiten nicht weniger brennt?

Siegel: Ja, es ist eine stabile Branche. Und wir sind in dieser Branche ein stabiles Unternehmen. Die globale Feuerwehrbranche hat sich voriges Jahr in einem rückläufigen Konjunkturumfeld behauptet und ist sogar leicht gewachsen. Mehr Auslieferungen sorgten bei uns erneut für ein leicht ausgeweitetes Geschäftsvolumen insbesondere im Mittleren Osten, in Zentral- und Osteuropa sowie Nordamerika. Das Asien-Geschäft ist dagegen wegen Covid-19 und des Stillstands im größten Einzelmarkt China rückläufig gewesen. Dabei haben unsere Aufträge in der Regel eine Durchlaufzeit von einem Jahr. Was wir also im Corona-Jahr geliefert haben, haben wir eigentlich zu einem großen Teil schon vor Corona verkauft. Aber natürlich haben auch wir Verschiebungen bei Aufträgen gehabt. Aber es ist de facto nichts storniert worden.

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Ein Test in Los Angeles.
Foto: Los Angeles Fire Department via AP

STANDARD: Die Autoindustrie wurde vor allem durch die Krise bei der Versorgung mit nötigen Computerchips schwer getroffen. Hat man das bei Rosenbauer nicht auch gespürt?

Siegel: Es gab diesbezüglich konkrete Befürchtungen im Vorjahr. Aber wir haben bewusst im zweiten Quartal Tempo herausgenommen. Obwohl wir Aufträge hatten. Und so kam es dann zu keinen Lieferengpässen. Der Start ins heurige Jahr war ungleich schwieriger. Das überraschend schnelle Anspringen der Weltwirtschaft hat viele wichtige Bauteile verknappt. Da werden wir alle schnell laufen müssen, um nicht in die gleiche Lage wie die Autoindustrie zu kommen.

STANDARD: Erstmals sind im Vorjahr auch elektrische RT (Revolutionary Technology) vom Band gelaufen, die in Amsterdam, Berlin und Dubai als Vorserienfahrzeuge im Einsatz sind. Gebaut werden diese Hybrid-Kommunalfahrzeuge aktuell noch in auffallend niedriger zweistelliger Stückzahl. Warum ist das im Moment noch nicht das große Geschäft?

Siegel: Der RT ist ein völlig neu konzipiertes Fahrzeug, das wir jetzt zusammen mit den ersten Kunden serienreif machen. Das dauert eben alles eine gewisse Entwicklungszeit. Dazu kommt, dass man das Fahrzeug sehen muss, um zu erkennen, was in dem Ding eigentlich steckt. Gerade für Amerikaner ist das Fahrzeug etwas ganz anders, als sie gewohnt sind. Es ist eine komplette Veränderung des klassischen Feuerwehrfahrzeugs.

STANDARD: Stichwort E-Autos. Deren Zahl steigt auf den Straßen, damit leider auch die Unfallhäufigkeit. Doch brennende E-Autos lassen sich heute nur sehr schwer löschen. Praktikable, mobile Lösungen für Einsatzkräfte fehlen noch weitgehend. Wo steht man bei Rosenbauer aktuell im Bereich der Löschtechnik für E-Mobilität?

Siegel: Wir sind auf einem guten Weg und mit unserer Lösung in der Vortestphase. Ich denke, dass wir noch in diesem Jahr mit einer Lösung für das Absichern von Batterien bei Unfällen mit E-Mobilen auf den Markt können.

STANDARD: In Österreich gibt es 4500 freiwillige Feuerwehren, die knapp 300.000 Mitglieder zählen. Die ehrenamtliche Tätigkeit allein dort summiert sich laut jüngsten Schätzungen auf rund 200 Millionen Euro proJahr. Sie kritisieren diesbezüglich offen, dass es aber an entsprechender Wertschätzung in der Gesellschaft fehlt. Wo liegt das Problem?

"Der Mittelstand hat es in Österreich sicher schwer, entsprechend Substanz aufzubauen", befindet Siegel.
Foto: Robert Newald

Siegel: Es fehlt in Österreich oft die Wahrnehmung für diese Freiwilligenarbeit. Erst mit meiner Tätigkeit an der Spitze von Rosenbauer habe ich verstanden, welch dichtes Netz an Feuerwehren Österreich hat. Große Teile der Bevölkerung nehmen das aber als gegeben hin. Aber, dass wir hier ein weltweit einzigartiges System ohne Entgelt haben, das eine 24-Stunden-Bereitschaft sicherstellt, ist ein soziales Phänomen, welches sehr beeindruckend ist. Bitte, 14 Prozent der Österreicher sind in Blaulichtorganisationen aktiv, 98 Prozent der Fläche in Österreich werden durch Freiwillige gesichert. Und für die gibt es zum Beispiel keine Gewerkschaft oder so.

STANDARD: Auf Ihre Initiative wurde gemeinsam mit den Blaulichtorganisationen die "Zivilschutzagenda Österreich" ins Leben gerufen. Was ist das Ziel?

Siegel: Um die Sichtbarkeit zu erhöhen und für diverse das Ehrenamt betreffende Anliegen mehr Gehör zu finden. Es wäre möglich, Ausbildungen im Rahmen der Freiwilligentätigkeit auch für berufliche Zwecke anzuerkennen. Auch wäre es schön, wenn von Unternehmen, die Mitarbeiter für die Feuerwehr oder den Katastrophenschutz freistellen, in deren Abwesenheit keine Lohnsteuern und Abgaben eingehoben würden.

STANDARD: Unter den Top-1000Managern liegen Sie aktuell auf Platz 531. Da gibt es noch Luft nach oben. Ist Ihnen so etwas eigentlich wichtig?

Siegel: Gleich nach dem Börsenkurs kommen in Bezug auf Undurchschaubarkeit immer diese Manager-Rankings. Irgendwann war ich sogar einmal an dritter Stelle. Mir ist es aber viel wichtiger, dass das Unternehmen in der Öffentlichkeit adäquat präsent ist. Und rein persönlich: Es ist mir egal, ob ich unter den Top Ten bin. Aber natürlich: Mit der Bekanntheit eines Managers öffnen sich auch mehr Türen.

STANDARD: Ist es für Jungunternehmer heute nicht ungleich schwieriger, in Österreich durchzustarten und erfolgreich zu sein? Würde Johann Rosenbauer heute so wie 1866 sein Unternehmen in Österreich gründen?

Siegel: Nein, er würde heute möglicherweise nicht mehr gründen. Aber während das vor einigen Jahren die Politik kaum gekümmert hat, ist in der aktuellen Regierung deutlich mehr Fokus in Richtung Wirtschaft spürbar, in meiner Wahrnehmung. Man versucht sicher einiges, aber für Jungunternehmer ist es in Österreich sicher nicht einfach, über die ersten Jahre zu kommen. Dabei spüre ich einen Bedarf, dass große Unternehmen kooperationsfähig mit kleineren Startups werden. In dieser Konstellation kann man die wirtschaftliche Stärke der Etablierten mit den guten Ideen für morgen verbinden. (24.5.2021, Markus Rohrhofer)