"Über den Sommer und auch im Winter werden wir die Maskenpflicht grundsätzlich noch haben", sagt Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne).

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Bei einem Medientermin am Freitagnachmittag in Tirol kündigte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) an, welche Öffnungsschritte noch im Juni kommen sollen. Konkret ging es um Erleichterungen bei den Abstandsregelungen, Quadratmeterbeschränkungen, aber auch bei den Sperrstunden. Allerdings blieb das alles noch ohne Details. Was der Regierungschef da recht vollmundig versprach, war offenbar auch nicht mit seinem Gesundheitsminister akkordiert.

Wolfgang Mückstein (Grüne) war im Ö1-Morgenjournal tags darauf jedenfalls einigermaßen "verwundert", dass der Kanzler schon kurz nach der Erklärung der Regierung, kommende Woche Freitag mit Experten und Landeshauptleuten etwaige Lockerungen besprechen zu wollen, nun mit seinen Ankündigungen vorprescht. Mückstein kritisiert das "einseitige Abgehen" aus diesem gemeinsamen Prozess. "Ich glaube nicht, dass das in unserem Interesse sein kann", sagt der Gesundheitsminister. Dass der Kanzler mit unkonkreten Versprechungen operiert, hält Mückstein für "entbehrlich". Das sorge eher für Verunsicherung in der Bevölkerung.

Köstinger verwundert über Mücksteins Verwunderung

Für die ÖVP rückte Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) aus, um ihre Verwunderung auszudrücken. Mückstein sei in das Vorgehen mit dem Treffen am kommenden Freitag eingebunden. Köstinger will mit ihm ein Gespräch führen und ihn offenkundig von weiteren Lockerungen überzeugen: "Wir können nicht auf Dauer erwachsenen Menschen vorschreiben, dass sie sich maximal zu viert treffen dürfen, insbesondere wenn sie geimpft sind." Auch das Vereins-, Sport- und Kulturleben sowie die Jugendarbeit müssten wieder zum Blühen gebracht werden.

Ziel sei immer gewesen, eine Überlastung der Intensivstationen zu verhindern und die Gesundheit der Österreicher zu schützen. Dies sieht Köstinger durch die aktuell niedrige Inzidenz und den Impf-Fortschritt gelungen.

Die Reaktion Mücksteins gefällt wiederum Neos-Gesundheitssprecher Gerald Loacker. "So offene Worte kennt man nicht mehr seit dem Eintritt der Grünen in diese Regierungskonstellation", sagt er in einer Aussendung. Kurz kündige an, was seinen Umfragewerten dienlich sei. Der Gesundheitsminister dürfe dann hinter ihm herräumen und müsse gezwungenermaßen die Rolle des Bremsers und Spielverderbers einnehmen.

Mückstein bremst auch bei Maskenpflicht

Noch am Donnerstag stellte der Kanzler ein mögliches Ende der Maskenpflicht in Aussicht. Dies wollte er bei der Expertenrunde nächste Woche Freitag debattieren. Da betonte der türkise Parteichef noch, man werde sich an den Infektionszahlen orientieren und dann informieren, wann die nächsten Sicherheitsstandards abgebaut werden können. "Aber wir werden nicht leichtsinnig werden", sagte der Kanzler.

Auch bei der Maskenpflicht bleibt Mückstein vorsichtig. In einem Interview mit der Kleinen Zeitung erklärt er: "Über den Sommer und auch im Winter werden wir die Maskenpflicht grundsätzlich noch haben." Hält man sich in engen Räumen länger auf, sei auch das Risiko höher, sich zu infizieren. "Über die Maskenpflicht outdoor werden wir reden können."

Unterschiedliche Expertenansichten

Der Komplexitätsforscher Peter Klimek stellte diese Woche in einem ORF-Interview ein Ende der Maskenpflicht noch im Juni in Aussicht. Auch Epidemiologe Gerald Gartlehner konnte sich das vorstellen. Beide machten den Schritt davon abhängig, ob bis dahin eine Durchimpfungsrate von 40 bis 50 Prozent erreicht werden kann. Ab diesem Schwellenwert sei in Israel und Großbritannien ein starker Rückgang des Infektionsgeschehens zu beobachten gewesen. Diese Durchimpfungsrate werde man in Österreich vermutlich im Juni erreichen.

Gesundheitsökonom Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien wendete ein, dass hier berücksichtigt werden muss, welche Personengruppen bereits geimpft wurden. Sind es jene, die viele Kontakte haben, und daher stark zum Infektionsgeschehen beitragen, oder jene, die in Beruf oder Freizeit nur wenige andere Menschen treffen? Nur dann sei abschätzbar, wie infektionsmindernd die Durchimpfungsrate wirklich wirke. Durch die Datenlage in Österreich sei das aber schlicht nicht erfassbar. (jan, APA, 22.5.2021)