Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) nennt die Zwanzig-Quadratmeter-Regel für das Vereinswesen "viel zu streng".

Foto: Helmut Fohringer

Wien – Obwohl die ersten bundesweiten Öffnungsschritte erst wenige Tage zurückliegen, drängen auch Vorarlberg und Niederösterreich massiv auf weitere Lockerungen. Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) nennt im ORF die Zwanzig-Quadratmeter-Regel für das Vereinswesen "viel zu streng". Niederösterreichs Wirtschaftslandesrat Jochen Danninger (ÖVP) will Lockerungen bei den Sperrstunden, für Thermen und Messen.

Der VP-Politiker argumentiert in einer Aussendung damit, dass die Infektionszahlen schneller zurückgingen als erwartet. Schnelles Handeln dürfe in der Pandemie nicht nur für Verschärfungen, sondern müsse auch für Lockerungen gelten, meint Danninger. Wallner meinte in "Vorarlberg heute", Öffnungen müssten mit Vernunft gemacht werden. Die Maskenpflicht könnte man bald outdoor und in der Folge indoor aufheben. Musikanten sollten auch wieder proben können. Denn derzeit müssten sie wegen der Quadratmeter-Regel in Hallen ausweichen.

Hitzige Öffnungsstreitigkeiten

Die Forderungen aus den Bundesländern könnten den Koalitionsstreit rund um den Öffnungskurs nochmal befeuern: Dieser hatte sich am Vortag ungebremst fortgesetzt, als ÖVP-Klubobmann August Wöginger ausrückte, um Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) wegen dessen Kritik an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zu tadeln. Die Replik kam darauf vom Grünen Gesundheitssprecher Ralph Schallmeiner, der der Volkspartei Fahrlässigkeit attestierte. Die FPÖ sah sich an einen Zank unter "Kerkermeistern" erinnert.

Anlass der Unstimmigkeiten ist der straffe Öffnungskurs, den der Kanzler während der vergangenen Tage fuhr. Zunächst kündigte er für die kommende Woche eine Entscheidung über eine weitere Lockerung der Maskenpflicht an, am Freitag legte er dann nur zwei Tage nach den großen Öffnungsschritten bei einem Auftritt in Tirol mit der definitiven Ankündigung nach, bei Abstandsregeln, Quadratmeter-Beschränkungen und Sperrstunden Erleichterungen vornehmen zu wollen.

Auch Experte gegen Kurz-Vorstoß

Mückstein missfiel das, ähnlich etwa dem Vorarlberger Experten Armin Fidler, der als Regisseur der Testregion in seinem Bundesland gilt und in der Corona-Kommission sitzt. In den "VN" meinte er am Samstag in Richtung Kurz, wenn dessen Experten gute Experten seien, würden sie den Bundeskanzler vor vorschnellen Entschlüssen warnen: "Ich würde bis 1. Juli gar nichts ändern. Bis dahin sehen wir, was in Österreich mit der Öffnung passiert."

Mückstein formulierte weniger freundlich und kritisierte "relativ unkonkrete Ankündigungen" des Regierungschefs, die die Bevölkerung verunsicherten. Mit ihm würden keine Luftschlösser gebaut, er entscheide auf Basis von Daten und Fakten.

Gleichzeitig dämpfte Mückstein die Euphorie, indem er ankündigte, dass es Masken wohl sogar noch kommenden Winter brauchen werde. Auf Twitter führte Mückstein seine Meinung weiter aus. Im Gespräch mit der Tageszeitung "Österreich" präzisierte er am Sonntag, dass die Maske bis dahin jedenfalls in jenen Bereichen zum Einsatz kommt, wo die 3G-Regel (getestet, geimpft, genesen) nicht angewendet wird, also etwa im Handel. "Bald überlegen" will er, von der FFP2-Maske auf normalen Mund-Nasen-Schutz umzusteigen. Im Freien werde man von Masken "weitgehend abrücken" können, so Mückstein.

Wöginger folgt auf Köstinger

Nachdem sich am Samstag schon Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) verwundert gezeigt hatte, legte nun Wöginger nach: "Dass die Grund- und Freiheitsrechte niemals Luftschlösser sein dürfen, sollte jedem klar sein, insbesondere all jenen, die einen Eid auf die österreichische Verfassung geschworen haben", richtete er Mückstein aus. Die Regierung sei schon bisher mit ihrer Maxime so viel Freiheit wie möglich und so wenig Einschränkung wie aus gesundheitlicher Sicht notwendig in der bisherigen Bewältigung der Pandemie sehr gut gefahren.

Als Volkspartei werde man sicher keinem Vorschlag die Zustimmung geben, der es zum Ziel habe, Treffen in den kommenden Sommermonaten weiterhin auf vier erwachsene Personen zu beschränken. Diese Position werde durch die rapide steigende Zahl der Geimpften getragen und tagtäglich bestärkt. Die ÖVP habe sich als Ziel gesetzt, dem Vereinsleben, der Kultur und der Jugendarbeit wieder zum Aufblühen zu verhelfen. Denn diese hätten durch die Pandemie großen Schaden genommen, den es jetzt zu reparieren gelte.

Auf Wögingers Kritik am Gesundheitsminister warf nun Schallmeiner der ÖVP im Gegenzug vor, den bereits akkordierten weiteren Weg aus der Pandemie-Bekämpfung fahrlässig zu verlassen. "Wenn die Menschen etwas brauchen, dann ist es Sicherheit. Was sie nicht brauchen, sind Luftschlösser und Ankündigungen, die nicht halten." Auch die letzten Meter der Pandemie-Bekämpfung müssten von Vernunft geleitet sein. Er gehe aber davon aus, dass sich die Spitzenrepräsentanten der Volkspartei von der Expertise Mücksteins überzeugen ließen.

Kurz hält sich heraus

Kurz selbst nahm sich aus den Zwistigkeiten heraus und ließ am Sonntag nur eine Aussendung verschicken, in der er sich über die Entwicklung der Pandemie freute: "Während Inzidenz und Ansteckungszahlen stetig sinken, steigt die Zahl der Geimpften schneller als erwartet." Als Bundesregierung handle man stets unter dem Grundsatz "So viel Freiheit wie möglich, so viel Einschränkung wie notwendig". Diese Strategie in Kombination mit den regionalen Maßnahmen und dem massiven Testen habe sich bewährt.

Wie es inhaltlich weitergeht, könnte am Freitag feststehen. Denn für diesen Tag ist ein Austausch von Regierung und Landeshauptleuten mit Experten angesetzt. (APA, 23.5.2021)