Im Mai soll ein ranghoher Wiener Polizist eine Kollegin sexuell belästigt haben. Drei Wochen später ist er offiziell wieder im Dienst, wie ein Schreiben, das dem STANDARD vorliegt, zeigt. Und das, obwohl die aktuelle Anzeige bei der Disziplinarbehörde nicht die erste gegen den Mann ist.
Aktuell geht es darum, dass er einer Kollegin an den Hintern gefasst haben soll. Nikolaus Rast, der Anwalt des Mannes, bestreitet die Vorwürfe. Die angeblichen Übergriffe hätten sich in beengten räumlichen Verhältnissen vor einem Kaffeeautomaten abgespielt, "es kann sein, dass er im Vorbeigehen an ihrem Körper angekommen ist". Absicht oder sexuelle Motivation seien dabei nicht im Spiel gewesen: "Das stellt er entschieden in Abrede."
Was aber tun mit einem hochrangigen Beamten, gegen den derartige Vorwürfe im Raum stehen? Anwalt Rast gab vor zwei Wochen an, der Mann sei ohnehin in einem geplanten Urlaub. Die offiziellen Antworten der Polizei dazu variierten: Mitte Mai noch hieß es von der Polizeipressestelle zum STANDARD, der besagte Polizist versehe aktuell keinen Dienst. Ein paar Tage später hieß es: "Der Mitarbeiter wurde vom Dienst als Vorgesetzter auf einer Polizeiinspektion abgezogen und wird anderwärtig eingesetzt." Es sei sichergestellt, dass er mit der betreffenden Kollegin keinen Kontakt habe. Und: Es werde ein dienstrechtliches Verfahren geführt – laut Anwalt Rast liegt derzeit aber nur die Anzeige vor, ein Verfahren sei noch nicht eingeleitet worden.
Zurück in Spitzenposition
Dem STANDARD liegt nun ein Schreiben vor, dass der Mann zurück in einer Spitzenposition ist, er wurde der ASE-Abteilungsleitung zugewiesen. In jener Abteilung für Sondereinheiten (ASE) sind drei Untereinheiten gegliedert, darunter auch jene für Objektschutz. Ebendiese wird momentan umstrukturiert – bisher waren die Beamten und Beamtinnen mehrerer Polizeiinspektionen aus der Innenstadt für den Schutz des Regierungsviertels zuständig, ab dem Sommer sollen in einer eigenen Sondereinheit 140 Männer und Frauen für den Schutz wichtiger Gebäude wie des Bundeskanzleramts, des Parlaments oder der Hofburg abgestellt werden.
Vor den jüngsten Vorwürfen wurde der beschuldigte Polizist für eine dortige Spitzenposition gehandelt. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, man habe ihm nun die Pensionierung nahegelegt. Daraus wurde aber offenbar nichts.
SPÖ sieht ein No-Go
Weder das Innenministerium noch die Polizei wollen dazu eine Stellungnahme abgeben, verärgert äußerte sich aber die SPÖ: "Was mich daran besonders stört, ist die Tatsache, dass das Innenministerium um viel Geld eine Medienkampagne gegen sexualisierte Gewalt fährt, es aber nicht schafft, in den eigenen Reihen klarzustellen, dass ein solches Verhalten ein No-Go sein muss", heißt es von der roten Abgeordneten Petra Bayr. Der betroffene Beamte gilt als ÖVP-nahe, Fotos zeigen ihn unter anderem bei Feierlichkeiten mit Karoline Edtstadler (ÖVP), damals noch Staatssekretärin, auch zu Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) soll er guten Kontakt pflegen.
Wie der STANDARD aus mehreren Quellen erfuhr, ist die jüngste Anzeige bei der Disziplinarbehörde nicht die erste gegen besagten Polizisten, in den vergangenen Jahren sollen mehrere Verfahren geführt worden sein. Gegen den Mann standen, wie berichtet, etwa auch Vorwürfe im Raum, dass er eine Kollegin auf die Toilette verfolgt haben soll, eine andere soll er als Prinzessin bezeichnet haben. Auch deshalb wurde die Bestellung des Polizisten zum Polizeikommandanten von der Gemeinde Wien um etwa ein Jahr verzögert, bestellt wurde er unter dem damaligen Innenminister Sobotka schlussendlich dennoch.
Anwalt Rast sind die weiteren Vorwürfe bekannt, im Gespräch mit dem STANDARD wies er auch diese kürzlich zurück. Eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Wien liegt laut dortiger Sprecherin derzeit nicht vor. Die Beamtin, die zuletzt belästigt worden sein soll, wurde auf eigenen Wunsch versetzt. (elas, 27.5.2021)