Rund ein Drittel der Bevölkerung ist bereits gegen Covid-19 erstgeimpft.

APA / GEORG HOCHMUTH

Seit Wochen trommelt es Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bei jeder passenden Gelegenheit: Alle Österreicherinnen und Österreicher, die sich impfen lassen wollen, werden bis Anfang Juli geimpft sein. Mit dem Versprechen soll suggeriert werden, dass die Regierung und die EU genügend Impfstoff bestellt haben, was – sagen wir es höflich – umstritten ist. Die EU hat diese Fehler auch eingestanden, die heimische Regierung tut sich nach wie vor schwer damit.

Doch wenn sie von Vornherein das EU-Kontingent beim Vakzin Biontech/Pfizer ausgeschöpft hätten und statt den 90 bzw. 91,9 Prozent die vollen 100 Prozent geordert hätten, stünden wir in jedem Fall besser da. Und die 63,7 Prozent Bestellmenge von Johnson & Johnson sind ebenfalls suboptimal.

Das Kurz'sche Versprechen steht und fällt aber nicht nur mit den Bestellungen und Lieferungen der Impfstoffe, sondern auch an der Impfwilligkeit der Bevölkerung: Würden sich alle über 16-Jährigen gegen Covid-19 impfen lassen wollen, wären das rund 7,5 Millionen Menschen. Das würde sich mit der bestellten Impfstoffmenge gewiss nicht ausgehen. Kurz ging bei seinem Versprechen stets davon aus, dass sich rund zwei Drittel der impfbaren Bevölkerung anmelden werden. Das wären etwa fünf Millionen Impfwillige.

Jenseits der 70 Prozent

Doch ist diese Annahme realistisch? Was sagen die bisherigen Impfquoten? Bis zum Freitag waren 71,6 Prozent aller über 84-Jährigen in Österreich geimpft, bei den 75- bis 84-Jährigen waren es 78,1 Prozent. Auch die 65- bis 74-Jährigen stehen bereits bei rund 74 Prozent. Die Impfrate von 70 Prozent liege "im Bereich der Erwartungen", hieß es aus dem Büro von Ressortchef Wolfgang Mückstein (Grüne). "Insbesondere bei hochaltrigen Patienten muss neben dem Anteil der Genesenen auch die Indikationsstellung im Sinne einer individuellen Abwägung von Nutzen und Risiko der Impfung berücksichtigt werden."

Die jüngeren Altersgruppen holen unterdessen deutlich auf. Wenn die Erstimpfungen in derselben Geschwindigkeit weitergehen, dann können in vier Wochen rund 80 Prozent der 55- bis 64-Jährigen geimpft sein, derzeit sind es 57 Prozent. Dass bei den unter 55-Jährigen die Impfrate bei den Frauen höher ist als bei den Männern, führt das Gesundheitsministerium nach wie vor auf Priorisierungen zu Beginn der Impfkampagne zurück.

Wie aber sieht es bei den noch jüngeren Bevölkerungsgruppen aus? Lässt sich denn überhaupt halbwegs genau abschätzen, wie viele Menschen über 16 sich in Österreich bis Anfang Juli tatsächlich impfen lassen wollen? "Nicht wirklich", sagt die Politikwissenschafterin Katharina T. Paul (Uni Wien), die seit vielen Jahren über sozialwissenschaftliche Fragen im Zusammenhang mit dem Impfen forscht. Seit rund einem Jahr erhebt sie in einem Team der Uni Wien im Rahmen der Austria-Corona-Panel-Projektstudie Daten über Einstellungen der Österreicherinnen und Österreicher zu verschiedenen Impffragen.

Eindeutiger Trend seit Jahreswechsel

In den letzten Monaten ist diesbezüglich ein eindeutiger Trend zu beobachten: "Wir sehen, dass seit Jahresbeginn und der Zulassung der ersten Impfungen auch die Impfbereitschaft kontinuierlich ansteigt." Bei der Umfrage (jeweils rund 1.500 Personen) Mitte Dezember war die Zustimmung zur Aussage "Ich werde mich ehestmöglich impfen lassen" noch gering: Ein Drittel (33 Prozent) kreuzte "trifft gar nicht zu" an, während sich nur 32 Prozent für "trifft voll und ganz zu" oder "trifft eher zu" entschieden. Die jüngste Befragung stammt von Mitte April und zeigt, dass sich die Werte stark verändert haben.

"Zu diesem Zeitpunkt waren schon 22 Prozent zumindest einmal geimpft", sagt Paul. Addiert man dazu noch die ungeimpften Personen, die sich ehestmöglich impfen lassen wollten ("trifft voll und ganz" und "trifft eher zu" zusammen), kletterte der Anteil der Zustimmung kumuliert auf bereits 59 Prozent. Der Anteil in dieser Gruppe lag Mitte April 2021 damit 26 Prozentpunkte höher als noch im Dezember 2021. Zugleich sank der Anteil jener Personen, die sich nicht ehestmöglich impfen lassen wollen ("trifft gar nicht zu"), auf 19 Prozent.

Grafik: Eberl et al., Vienna Center for Electoral Research, Universität Wien

Ob dieser Trend anhält und wo ein Plafond erreicht sein wird, kann aber auch Paul nicht sagen. Grundsätzlich sind die Österreicher im internationalen Vergleich nicht die allergrößten Befürworter von Impfungen, gerade auch wenn es um Kinder geht. Das zeigte sich etwa zuletzt bei der großen internationalen Studie "Wellcome Global Monitor 2018", die sowohl die Haltung zur Wissenschaft generell wie auch zu Impffragen erhob. Die Österreicherinnen und Österreicher zeigten da auffallend hohe Ablehnungsraten zu Aussagen wie "Impfungen für Kinder sind sicher" (Ablehnungsrate 22 Prozent) oder "Es ist wichtig, dass Kinder geimpft werden" (Ablehnungsrate 12 Prozent).

Wie Impfungen unsere Welt verändert haben, erklärt dieses Video.
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Paul würde von dieser Umfrage nicht auf die Corona-Impfbereitschaft schließen, und sie geht davon aus, dass man zumindest auch einen Teil jener 27 Prozent, die sich im April noch "voll und ganz" oder "eher" gegen eine ehemögliche Impfung aussprachen, doch dazu bringen kann, sich impfen zu lassen. Eine Rolle spiele dabei wohl auch der grüne Pass, der eine Form von "Nudging" darstelle, also einen mehr oder weniger sanften Anreiz bietet, sein Verhalten zu ändern.

Wichtig wäre laut Paul aber auch, die Zutrittsschwelle zu den Impfungen möglichst niedrig zu halten. So verweist sie etwa auf den Einsatz von Impfbussen in den USA, die Menschen quasi vor der Haustür mit einem Impfangebot abholen. Paul hält zudem das persönliche Gespräch für wichtig, also nicht nur das zwischen Arzt und Patienten, sondern auch von Personen, die sich impfen ließen, mit Freunden oder Verwandten, die noch zögern.

Foto: Our World in Data

Konkrete empirische Daten, wie hoch der Anteil werden kann, hat man unter anderem aus Israel. Dort stiegen die Prozentzahlen in den letzten Wochen zwar auch nur mehr sehr langsam; eine Erstimpfung haben aber doch schon deutlich über 60 Prozent der Gesamtbevölkerung erreicht, also inklusive der noch nicht impfbaren Kinder. (APA, tasch, 24.5.2021)