Regisseurin Fanny Brunner bringt am Landestheater Linz Sargnagels "Callcenter-Monologe" zum ersten Mal auf die Bühne.

Foto: Petra Moser

Acht Jahre ist’s her. Da kam Stefanie Sargnagels Debüt "Binge Living: Callcenter-Monologe" heraus. Ein Tagebuch prallvoll mit Facebook-Aphorismen und goschad’n Anekdoten zwischen Kunststudium, Gemeindebau, Telefonauskunft-Brotjob und Suff. Darin steht zum Beispiel zu lesen: "Mit spätestens 30 will ich Königin von Österreich sein". Und das ist Sargnagel ja mittlerweile geworden. Oder jedenfalls Burschenschaftlerin, Bachmann-Preis-Teilnehmerin und erfolgreiche Roman-Autorin. Nun bringt Regisseurin Fanny Brunner am Landestheater Linz den Stoff von 2013 zum ersten Mal auf die Bühne.

Sympathisch-Schmuddelig

Und zwar als Konzert. Die Band bestehend aus Angela Waidmann, Corinna Mühle, Katharina Knap und Helmuth Häusler teilt sich den Raum mit Glitzervorhängen, Parolen an den Wänden und einer mensch-großen Venus von Willendorf. Eine unterspannte Kunstinstallation. Bühne und Kostüme von Daniel Angermayr machen klar: "Binge Living", das ist irgendwas sympathisch-schmuddeliges. Und wer hat hier die rote Baskenmütze, also den Sargnagel-Hut auf? Häusler am Schlagzeug, der dafür nicht die Hosen, sondern Strumpfhose und Kleid anhat. Wenn es zu einer Pointe kommt, dann gibt es mitunter einen Tusch. Oder ein Gitarren-Wrumm.

Allerdings kommt es bei Sargnagel ja permanent zur Pointe. Bester Lacher des Abends: "Ich pfurze in den Donaufluss, es blubbert bis nach Linz". Die kurzen, in sich mehr oder weniger abgeschlossenen, stets mit einem Datum versehenen Sequenzen, verschaffen schnelle Erleichterung. Dass Regisseurin Brunner aus diesem überbordenden Witz-Schatz einen kurzweiligen Theaterabend gebaut hat, das ist schon ziemlich bemerkenswert. Weil zwei Stunden lang Pointen-Feuerwerk, immer wieder Neu-Ansetzen um sofort wieder Neu-Anzusetzen, das könnte auch recht mühsam sein.

Symbiotisches Buhlen

Dafür ist diese Band aber auch einfach zu gut. Die Stimmung zwischen den vieren – wie sie einander Bälle zuspielen oder gegenseitig das Wort wegnehmen – trägt und hält. Ohne Stress geht’s von einer Anekdote zur nächsten, alles ohne Datierung und hauptsächlich nach vorne erzählt. Eine subtile Überbetonung von jedem "ich" im Text suggeriert, dass hier um die Gunst des Publikums gebuhlt werden muss. Jedenfalls wird nicht so sehr auf Pointe, sondern auf the long game hin gespielt.

Während Häusler am Schlagzeug schüchtern Gedanken entwirft, presst Mühle vorne am Mikrophon einen Widerwillen gegen überhaupt alles heraus und springt Waidmann, wahlweise an der Gitarre oder an der Karotte, lakonisch dazwischen und schält sich Knap aller-unschuldigst in ein Teufelchen-Kostüm hinein. Und dann gibt es ja auch noch die Songs. Gemeinsam mit dem Musiker Alex Konrad entstanden zwölf Nummern und die machen klar: "Binge Living", das ist nicht nur sympathisch, sondern existenziell.

"Wenigstens bin ich noch nicht 30", heißt es irgendwann. Hieß es vor acht Jahren. Also wie ist dieser Text denn gealtert? Gut. Das heißt: Egal wie ironisch-überspitzt, wie ungeniert-brutal die Formulierungen daher kommen, die "Callcenter-Monologe" funktionierten als radikal-subjektive Draufschau auf Welt. Wobei: "Im Internet ist es doch am schönsten". (Theresa Luise Gindlstrasser, 23.5.2021)