Der neue Ministerpräsident Kataloniens, Pere Aragonès, ist zwar Unabhängigskeitsbefürworter, setzt aber auf Dialog zwischen Madrid und Barcelona.

Foto: Joan Valls

Barcelona/Madrid – Am heutigen Montag wird der separatistische Linksrepublikaner Pere Aragonès (ERC) als neuer Ministerpräsident Kataloniens vereidigt. Um das Verhältnis mit der neuen Regionalregierung zu verbessern und die Spannungen im Unabhängigkeitskonflikt abzubauen, plant die spanische Regierung nun die Begnadigung der seit dreieinhalb Jahren inhaftierten Separatistenführer.

Anscheinend will Spaniens sozialistischer Ministerpräsident Pedro Sánchez noch im Sommer die ehemaligen Mitstreiter des im belgischen Exil lebenden Separatistenführers Carles Puigdemont begnadigen lassen. Das berichtet am Montag die spanische Tageszeitung El País mit Verweis auf Regierungskreise.

Illegales Unabhängigkeitsreferendum

Kataloniens ehemaliger Vize-Regierungschef Oriol Junqueras, mehrere Kabinettsmitglieder von Puigdemonts Regionalregierung sowie Anführer separatistischer Bürgerinitiativen wurden wegen der Durchführung eines illegalen Unabhängigkeitsreferendum im Oktober 2017 zu Haftstrafen von bis zu 13 Jahren verurteilt. Sie wurden der Veruntreuung öffentlicher Gelder und des Landfriedensbruchs für schuldig gesprochen.

Die Staatsanwaltschaft spricht sich gegen die Begnadigung der separatistischen Politiker und Aktivisten aus, da sie ihre Straftaten nicht bereuen. Mehr noch: Einige erklärten öffentlich, erneut so zu handeln, würde sich die Gelegenheit ergeben. Andere lehnen die Begnadigung sogar ab, da sie mit dieser zugeben würden, überhaupt eine Straftat begannen zu haben. Sie fordern eine Amnestie. Eine mögliche Begnadigung würde auch zu einem Frontalzusammenstoß mit der konservativen und rechten Opposition im Parlament führen, die der linken Minderheitsregierung das Regieren enorm erschweren könnte.

Chance auf Entspannung

Doch Premier Sánchez sieht in einer Begnadigung die Chance, Dialog und Entspannung in den Unabhängigkeitskonflikt zu bringen. Zwar spricht sich auch der Linksrepublikaner Pere Aragonès klar für die Unabhängigkeit der wirtschaftsstarken Mittelmeerregion im Nordosten Spaniens mit seinen rund 7,6 Millionen Einwohner aus. Dennoch setzt er im Gegensatz zu den beiden anderen Unabhängigkeitsparteien der linksradikalen CUP und der liberal-konservativen Parteiallianz JxCat auf Gespräche zwischen Madrid und Barcelona. Im Gegensatz zu JxCat überstützt die ERC-Fraktion im spanischen Parlament auch seit über einem Jahr die linke Minderheitsregierung zwischen Sozialisten und Unidas Podemos.

Während die CUP und JxCat ein neues Unabhängigkeitsreferendum erzwingen wollen, sprich sich ERC für eine mit Madrid ausgehandelte Volksbefragung aus. Zudem wollen die Linksrepublikaner diesen Schritt nur gehen, wenn sie über einen längerer Zeitraum eine klare Mehrheit der Katalanen für die Unabhängigkeit bei Wahlen ausspricht.

Linksrepublikaner stärkste Fraktion

Dieser Umstand führte beinahe zu erneuten Neuwahlen in Katalonien. Bei den vorgezogenen Regionalwahlen Mitte Februar schafften die drei separatistischen Parteien eine knappe, aber absolute Mehrheit im Regionalparlament in Barcelona. Bisher regierten Puigdemonts JxCat und die Linksrepublikaner des inhaftierten Oriol Junqueras in Koalition unter Vorsitz von Puigdemonts Stellvertreter Quim Torra. Bei den Wahlen im Februar wurden aber erstmals die Linksrepublikaner die stärkste Fraktion im Separatistenblock.

Bis vergangenen Freitag wollte JxCat Aragonès aufgrund des Richtungsstreit allerdings nicht ihre Unterstützung geben. Am 26. Mai wäre die Frist zur Regierungsbildung abgelaufen und es hätten erneut Neuwahlen stattfinden müssen. In letzter Minute bestätigten sowohl JxCat als auch die CUP ihre Unterstützung für Aragonès. Der Linksrepublikaner, der nun diesmal mit JxCat als Juniorpartner regieren wird, versprach den beiden anderen Parteien, er werde in seiner Amtszeit "den Weg zur Unabhängigkeit zu Ende gehen". "Ich will, dass wir wie Schottland sind. Und es würde mir gefallen, wenn der spanische Staat sich so verhält wie Großbritannien 2014." Damit spielte er auf das Referendum in Schottland an, wo sich allerdings eine Mehrheit gegen die Unabhängigkeit aussprach. (APA, red, 24.5.2021)