Delogierung in Berlin: An einem kalten Novembermorgen muss Otto Wagner mit seiner Familie aus seiner Wohnung ausziehen. Vor kurzem war das Haus noch ein Sinnbild der berühmten "Berliner Mischung". Jetzt will Ceylan Immobilien, ein kleines Familienunternehmen, das Haus luxussanieren, um es später in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Doch es gibt Widerstand. Vier Mietparteien im Haus klammern sich an ihre noch bezahlbaren Wohnungen, wollen sie unbedingt behalten. Familie Malovcic bekommt Nachwuchs, Frau Kirschner lebt schon fast 60 Jahre im Haus, Jenny Nowack ist alleinerziehend, ihre Kinder haben im Kiez ihre Freunde und Peter de Boer verdient als freischaffender Journalist kaum etwas. Als der Juniorchef der Immobilienfirma tot vor dem Haus liegt, haben Rubin und Karow von der Berliner Mordkommission einen neuen Fall. Und wie sehen Sie "Die dritte Haut"?

Darsteller mit Maske

"Die Haltung, die ,Die dritte Haut' einnimmt, ist eindeutig", schreibt Kurt Sagatz vom Tagesspiegel. Hier wird ein entmenschlichtes System angeprangert, in dem die ungehemmte Profitgier auf alle gesellschaftlichen Konventionen und die Vorgaben der Politik pfeift.

Es wurde übrigens nicht nur Corona-konform gedreht, auch im Film tragen sämtliche Darsteller ihre Masken regelgerecht – wenngleich FFP2 da noch die Ausnahme war. Die Maske ist aber auch sonst konsequent: Covid hat die Situation auf dem Wohnungsmarkt nochmals verschärft.

Im Bild: Rubin (Meret Becker) und Karow (Mark Waschke) in einer Notunterkunft für Menschen, die zwangsgeräumt wurden.

Foto: ORF/ARD/rbb/Gordon Muehle

"Wie wollen wir wohnen?"

"Spiegel"-Ermittler Christian Buß hebt die Aktualität des Themas hervor: "Gedreht wurde der ,Tatort' im Dezember vergangenen Jahres mit vielen aktuellen Bezügen, er hat über Strecken eine gute dokumentarische Anmutung: Wegen der Coronakrise wird hier viel Maske getragen, der Berliner Mietendeckel existiert noch. Das Gesetz, das die Wohnkosten in der Hauptstadt auch für Menschen mit geringem Einkommen erschwinglich halten sollte, wurde im April vom Bundesverfassungsgericht kassiert."

Der Konflikt werde "vor allem als örtlicher Verteilerkampf behandelt wird, bei dem es nicht mit dem bequemen Fingerzeig auf globale Finanzdynamiken getan ist. Der Krieg um die Miete tobt vor der Haustür. Ausgedacht hat sich das die Drehbuchautorin Katrin Bühlig, die in ihren »Tatorten« Problemstoffe auch mal gegen den Strich bürstet. So wie zuletzt in dem Bremer ,Tatort' den Notstand in der Pflege, bei dem die Figuren gegen alle Widerstände für ein würdevolles Lebensende kämpften. Der Frage »Wie wollen wir sterben?« folgt nun die Frage »Wie wollen wir wohnen?« Wohnen, sterben, das liegt in diesem Krimi über den existenziellen Ringen um die eigenen vier Wände dicht beisammen."

Im Bild: Karow (Mark Waschke) und Rubin (Meret Becker) stellen den Mord am Immobilienmanager Ceylan nach.

Foto: ORF/ARD/rbb/Gordon Muehle

"Dreifaltige Schrulligkeit ohne Ego-Shooter"

Holger Gertz stören die vielen Klischeebilder für unbehaustes Leben, schreibt er in der Süddeutschen Zeitung: "Von der aus der Wohnung geworfenen Familie bleiben Filzstiftstriche am Türrahmen – da, wo die Kinder ihre Körpergröße verglichen haben. Die alte Frau, vertrieben ins Seniorenheim, sieht die Welt nur noch hinter engen Fenstern. Winkekatzen hören auf zu winken. Und eine Mordsgeschichte muss ja auch noch eingepflegt werden, weil der Tatort keine Doku ist, sondern ein Krimi. Und weil die Kommissare Rubin und Karow eigentlich mal angetreten waren als leidenschaftsbegabte Gegenentwürfe zu den Schreibtischermittlern, ist ihnen auch noch ein einigermaßen unambitionierter Quickie ins Buch geschrieben worden."

Im Bild: Kriminalhauptkommissar Robert Karow (Mark Waschke) befragt Ilse Kirschner (Friederike Frerichs) nach ihrer Situation im Haus, das gerade entmietet wird.

Foto: ORF/ARD/rbb/Gordon Muehle

"Ein gelungener Einstand"

Einen "bedrückenden und zornig machenden Film" sah STANDARD-Redakteurin Irene Brickner. Am Ende bleibt für sie nur eine Frage offen: "Angesichts dessen bleibt nur eine Frage offen: Warum muss der vorkommende Immobilienhai unbedingt türkischer Herkunft sein? Figuren ausbeuterischer Einwanderer können den sehr wirklichen Ausländerhass in Deutschland wie Österreich nur fördern."

Im Bild: Yeliz Dahlmann (Sesede Terziyan) und ihr Mann Thomas (Florian Anderer) sind sich uneinig über die Zukunft ihrer Immobilienfirma. (red, 6.6.2021)

Und wie sehen Sie "Die dritte Haut", den neuen "Tatort" aus Berlin? Wir sind gespannt auf Ihre Meinung!

Foto: ORF/ARD/rbb/Gordon Muehle