Ein Leben für die Steuer: Daleila Piasko und Bardo Böhlefeld im Burg-Kasino

Foto: Burgtheater/Cruz

Das Finanzamt ist eine Baustelle. Die Möbel sind mit Plastikplanen überzogen, auf denen der Staub zentimeterdick liegt. Jeden Tag kämpfen sich die fünf Lockenköpfe, die hier ihren Dienst versehen, zwischen Baugerüsten und Zimmerpflanzen zu ihren Schreibtischen. Auf diesen: Faxgeräte, Festnetztelefone und Uraltcomputer. Aus der Zeit gefallen kommt sich trotzdem niemand vor. Im Gegenteil: Diese Beamten sind in ihren eigenen Augen nichts weniger als die Könige der Finanzdienstleistungsgesellschaft. Wobei es die Bürger sind, die ihnen zu Diensten sind, nicht die Beamten den Bürgern.

Der Fiskus heißt das Stück der deutschen "Wirtschaftsdichterin" Felicia Zeller, das vergangenes Jahr in Braunschweig uraufgeführt wurde. Stoffe, um die andere einen großen Bogen machen, rückt sie in den Mittelpunkt ihrer zeitdiagnostischen Dramatik. Im Fall ihres jetzt hochvergnüglich im Kasino des Burgtheaters erstaufgeführten Finanzamtsstücks ist es die Sachbearbeiterin Bea Mtinnen, die ihr Leben in den Dienst von Zahlenkolonnen stellt und dabei unter die Mühlen des Beamtenapparats kommt. Oder wie es Kollegin Nele auf den Punkt bringt: "In Zeiten sozialer Medien muss auch das Finanzamt / muss auch die Steuer irgendwie sexy / zumindest rüberkommen."

Amt als Ehevermittlung

Kein Wunder, dass nicht Bea, sondern die wesentlich jüngere Nele befördert wird. Diese träumt von einer Verschränkung des drögen Amtes mit einer High-Society-Ehevermittlung und ist auch sonst in Gestalt der wunderbaren Dorothee Hartinger ganz der Selbstdarstellung verpflichtet. Damit ist sie in diesem Amt nicht allein: Während das Personal unter seinen Royal Tenenbaums-Perücken noch den Mief längst vergangener Zeiten atmet, wurde es längst vom Marketing-Zeitgeist eingeholt.

Es sind solche Anachronismen, die es Zeller angetan haben und der sich Regisseurin Anita Vulesica äußerst lustvoll widmet. Sie choreografiert Zellers rhythmische Sprachellipsen, die verlässlich im Nirgendwo enden, als seien es Vorlagen für eine Stunde Bauch-Bein-Po. Aus fadem Finanzamtsgelaber wird so schon einmal ein richtiger Rap, unterlegt mit einer kleinen Tanzeinlage. Die Popos wackeln, die Perücken wippen, während der verfressene Sachbearbeiter Reiner (Bardo Böhlefeld) und seine Angetraute (Deleila Piasko) über Steuertricks räsonieren. Glaube niemandem, Finanzbeamte würden ihr Geld dem Staat in den Rachen werfen!

Haupt als Tragödin

Steuervermeidung bietet hier genauso unangestrengten Plauderstoff wie Steuerbetrug, nur dass man diesen Themen selten so amüsiert gelauscht hat wie auf der von Henrike Engel mit viel Flohmarkt eingerichteten Kasino-Bühne. Vor allem wenn sich Sabine Haupt als Bea zur Sachbearbeitertragödin aufschwingt, steppt der Amtsbär.

Bea ist der Bremsklotz in dem wie ein eingeschworener Klub funktionierenden Finanzbüro: "Steuergerechtigkeit / das muss nicht gut aussehen / das kann vielleicht auch gar nicht gut aussehen." Das sehen Kolleginnen wie die aufgekratzte Nele oder die libidinöse Angie (Stefanie Dvorak) anders. Sie pirschen sich schon mal in das Vorzimmer des eigenen Zahnarzts, um dessen Steuertricks auffliegen zu lassen.

Die Welt hinter öden Steuererklärungen, sie hat an diesem Abend ein anarchisch-absurdes Gesicht. So viel Spaß hat die Beschäftigung mit der Steuer wohl noch nie gemacht. (Stephan Hilpold, 25.5.2021)